Mit Dr. László Fazekas, Direktor vom NATO Kompetenzzentrum für Militärmedizin (MILMED COE) wurde am 6. April von Ungarn Heute ein Interview geführt. Der Oberst hat über die Arbeit des Budapester Kompetenzzentrums, über die enge Zusammenarbeit mit Deutschland, über seine Aufgaben als Direktor und über der Laufbahn der Militärärzte in Ungarn gesprochen.
Wann und warum wurde gerade in Ungarn das NATO Kompetenzzentrum für Militärmedizin (NATO Center of Excellence for Military Medicine – MILMED COE) eingerichtet? Wie wurde Ungarn die Gastnation?
Auf dem Nato-Gipfeltreffen 2002 in Prag wurde beschlossen, eine neue Struktur militärischer Denkfabriken, sogenannten Kompetenzzentren (Centre of Excellence – COE) zu etablieren, um die Arbeit des Alliierten Kommando Transformation (ACT) zu unterstützen. Als erstes Kompetenzzentrum wurde das Cold Weather Operations Centre of Excellence (CWO COE) in Bodo, Norwegen eingerichtet. Mein Vorgänger, Dr. István Kopcsó arbeitete damals im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Daher stammte die Idee, dass ein Zentrum im Bereich Militärmedizin auch eingerichtet werden sollte. Für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums gibt es bestimmte Voraussetzungen. Es wird eine sogenannte Rahmennation als Gastnation gebraucht. Ein Staat, der die nötige Infrastruktur mit Örtlichkeiten und Ressourcen zur Verfügung stellt und den Arbeitsschwerpunkt der Einrichtung festlegt. Diese Gastnation soll dann anderen Staaten die Beteiligung an dem Projekt anbieten, die willig sind, das Kompetenzzentrum auch finanziell zu unterstützen. Zur Einrichtung des Kompetenzzentrums gab es in Ungarn auch die nötige politische Unterstützung. Die Konzeption des MILMED COE wurde im Jahre 2008 fertiggestellt. Die Unterstützung von Deutschland war einfach zu erhalten, da Ungarn sowohl traditionell gute Beziehungen mit Deutschland in der NATO als auch im Bereich der Militärmedizin hat. Das vorläufige Konzept wurde mit ACT abgestimmt, es erhielt dessen Zustimmung und 2009 wurde es als Kompetenzzentrum für Militärmedizin (Centre of Excellence for Military Medicine – MILMED COE) durch die NATO akkreditiert.
In welchen Kompetenzzentren gibt es ungarische Beteiligung?
Aktuell ist Ungarn an 10 der 24 akkreditierten Kompetenzzentren als sog. Sponsoring Nation beteiligt. Ungarn ist Gastnation des NATO Kompetenzzentrum für Militärmedizin (MILMED COE), und arbeitet mit dem Prinzip Reziprozität: Beteiligt sich eine Nation am MILMED COE, sendet Ungarn Leute in das Kompetenzzentrum dieser Nation. Ungarn beteiligt sich unter anderem am Joint Chemical, Biological, Radiological and Nuclear Defense Centre of Excellence (JCBRN COE) in Vyškov, Tschechien; am Explosive Ordonance Disposal Centre of Excellence (EOD COE) in Trenčín, Slowakei; am Centre of Excellence – Defence Against Terrorism (COE DAT) in Ankara, Türkei; am Counter – Improvised Explosive Devices Centre of Excellence (C-IED COE) in Madrid, Spanien; am Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence (CCD COE) in Tallinn, Estland; am HUMINT [Human Intelligence] Centre of Excellence (HCOE) in Oradea, Rumänien und am Military Engineering Centre of Excellence (MILENG COE) in Ingolstadt, Deutschland.
An dem Projekt MILMED COE wolen sich auch die USA und die Slowakei beteiligen. Wo stehen diese Verfahren?
Die USA ist beim Kompetenzzentrum für Militärmedizin in Budapest seit 3 Jahren mit Personal präsent, ist aber noch nicht als sog. Sponsoring Nation offiziell beigetreten. Um Sponsoring Nation zu werden, müssen zwei Memoranda of Understanding (MOU) unterschrieben werden. Das Operational MOU definiert das Verhältnis zwischen Kompetenzzentrum und der Sponsoring Nation, deren Vertreter es unterzeichnen. Es werden Vorschriften für die Gründung, Arbeit, Finanzierung, Personalausstattung, Sicherheit und die Leistungen der beteiligten Nationen festgelegt. Das Functional MOU regelt die Beziehung zwischen dem Hauptquartier des Alliierten Kommando Transformation (HQ SACT in Norfolk), den Sponsoring Nations, weiteren Nato-Einrichtungen und dem Kompetenzzentrum. Die Slowakei wird uns Personal senden, nachdem die zwei Memoranda of Understanding unterschrieben worden sind. Manchmal dauert dieser Prozess jahrelang. Die Entscheidungen sind aber schon getroffen, und ich hoffe, dass die USA und die Slowakei Ende April unsere Sponsoring Nations werden.
Aus welchen Mitteln wird die Arbeit des Kompetenzzentrums für Militärmedizin finanziert?
Die Gastnation, bei uns Ungarn, leistet den höchsten finanziellen Beitrag. Die Kompetenzzentren kriegen keine Gelder von der Nato selbst, sie finanzieren sich vollständig multinational über die Beiträge der beteiligten Nationen. Um unsere Ziele zu erreichen, haben wir so genügend Mitteln. Wir haben vorwiegend Projekte, bei denen die hoch qualifizierten Fachleute entscheidend sind. Zurzeit arbeiten 43 Personen beim Kompetenzzentrum, von denen wird Qualitätsarbeit erwartet. Uns ist es am wichtigsten, angemessen ausgebildetes Personal zu haben.
Wie soll man die Zusammenarbeit mit Deutschland bei dem Kompetenzzentrum für Militärmedizin (Military Medicine Centre of Excellence – MILMED COE) vorstellen?
Mit den Deutschen haben wir ein besonderes Verhältnis. Beim MILMED COE gibt es eine Rotation: für drei Jahre wird der Direktor von Ungarn und der stellvertretende Direktor von Deuschland gestellt; danach wird für drei Jahre der Direktor aus Deutschland, der stellvertretende Direktor aus Ungarn gestellt. Daneben hat das Kompetenzzentrum für Militärmedizin in München eine Zentrale für Gesundheitsüberwachung im Einsatz (Deployment Health Surveillance Capability), mit der wir lange das einzige Kompetenzzentrum mit zwei Standorten waren. Diese enge Zusammenarbeit ist für die guten Beziehungen zwischen der Bundeswehr und den Ungarischen Streitkräften verantwortlich.
Sie haben am 28.-29. März 2017 NATO HQ SACT (Supreme Allied Command Transformation) in Norfolk besucht um die Aufgabe „Vorsitzender der Direktorenkonferenz der NATO Centres of Excellence (COEs)” von Ihrem litauischen Kollegen, Oberst Gintaras Bagdonas, Direktor des Energy Security (ENSEC) Centre of Excellence in Vilnius zu übernehmen. Welche Aufgaben haben Sie als vorsitzender Direktor?
Es gibt 24 akkreditierte NATO Konpetenzzentzen, und jedes Zentrum hat einen Direktor. Als Vorsitzender der Direktorenkonferenz muss ich die Direktoren vertreten. Am Ende März habe ich in Norfolk diese Aufgabe übernommen und unter anderem mit dem Supreme Allied Commander Transformation (SACT) General Denis Mercier verhandelt. Im September soll ich für meine Kollegen eine Konferenz in Budapest organisieren, sämtliche Vorträge halten und zu Vorstellungen aus der Sicht der Kompetenzzentren Stellung zu nehmen. Die Entscheidungen der NATO sollen möglichst das Interesse der Kompetenzzentren verfolgen, die Aufgaben des NATO Headquarters sollen mit den Möglichkeiten der 24 Kompetenzzentren in Einklang gebracht werden. Voraussichtlich werde ich im Juli die Möglichkeit haben, den NATO Militärrat zu informieren. Daneben ist es meine Aufgabe die Bekanntheit der Kompetenzzentren zu verbessern. Diese Position werde ich ein Jahr lang, bis Dezember 2017 bekleiden, was für mich eine große Ehre ist.
Die Konferenz der COE Direktoren wird zwischen 25. und 28. September in Budapest stattfinden. Was für ein Programm hat diese Konferenz?
Die Konferenz präsidiere ich gemeinsam mit dem Direktor der Transformation Network Branch (TNB). Wahrscheinlich wird der Deputy Chief of Staff Capability Development (DCOS), Generalleutnant Jeffrey G. Lofgren auch anwesend sein. Das Programm umfasst zweieinhalb Tage, mit der An- und Abreise wird es ungefähr vier Tage in Anspruch nehmen. Die Teilnehmer kommen aus Europa, Asien und Amerika, die Reise kann also dauern. Aus der Transformation Network Branch (TNB) werden Konzeptionsentwürfe mit zur Konferenz gebracht. Diese Programmpläne sollen mit den Kompetenzzentren angepasst werden. Es gibt Unterschiede zwischen der Arbeit und den Fristen von TNB und COEs, darüber muss man sprechen und Lösungen müssen gefunden werden. Den neuen Kompetenzzentren wird mit Rat und Tat geholfen, damit sie effektiv arbeiten können. Dazu trägt die Konferenz, die im Stefania Palast stattfindet, bei. Ungefähr 50 Teilnehmer werden zur Konferenz erwartet, nicht nur Direktoren, sondern auch Mitarbeiter aus den Kompetenzzentren. Neben dem fachspezifische Programm wird Wert auf berufliche Kontakte und Kontaktpflege gelegt. Die Konferenz ist eine Anerkennung für Ungarn.
Wie wird man in Ungarn sowohl Soldat, als auch Arzt? Gibt es eine bestimmte Berufslaufbahn?
Es hängt davon ab. In Ungarn gibt es zwei Wege. Die Meisten absolvieren erst eine zivile Universität für Medizin, dann werden sie Soldat bei den Ungarischen Streitkräften. Ich persönlich habe den anderen Weg gewählt, wurde erst Soldat, dann Arzt. Während ich das Gymnasium besucht habe, wohnte ich in einem militärischen Schülerheim. Seit meinem 14. Lebenslahr bin ich bei den Ungarischen Streitkräften. Nach dem Gymnasium habe ich die Universität für Medizin gewählt. Ich war also eher Soldat als Arzt, aber die gehören bei mir eng zusammen, sind fast untrennbar. Als Militärarzt macht man die zivilen Fachprüfungen, wir machen postgraduales Studium, sammeln Kreditpunkte, bilden uns weiter. Manchmal verursacht es Spannungen, dass die Militärärzte nicht „soldatisch genug” sind. Bei mir ist es nicht der Fall. Ich bin in erster Linie Oberst, und kein Facharzt mit Praxis.
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Den zweiten Teil der Interview mit Oberstarzt Dr. Salvatore Schmidt, Deputy Direktor im NATO Kompetenzzentrum für Militärmedizin Budapest folgt am 27. April.
Foto: Ungarn Heute