Deutschland sei Ungarns wichtigster Wirtschaftspartner und in einigen Bereichen ein strategischer Verbündeter, sagte Außenminister Péter Szijjártó nach Gesprächen mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas am Montag in Budapest. Während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Maas sagte Szijjártó, dass die beiden Länder sich über Schlüsselthemen wie „Bekämpfung der Migration“ nicht einig waren. Szijjártó sprach vor der Presse vor allem über Verteidigungs- und Migrationspolitik, Maas sprach von Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der Justiz, von Meinungs- und Pressefreiheit. Trotz des tiefen Zerwürfnisses über die Migrationspolitik der EU wollen aber Deutschland und Ungarn ihre Beziehungen wieder stärken – war die Konklusion des Treffens. Offizieller Anlass für Maas‘ ersten Besuch in Ungarn war der Mauerfall vor 30 Jahren.
Ungarn und Deutschland seien Verbündete in den Bereichen Verteidigung und Wirtschaft sowie in Bezug auf die Erweiterung der Europäischen Union und die Entwicklung der von Migranten geflüchteten Regionen, sagte Szijjártó nach dem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen.
In Bezug auf die Verteidigungspolitik und die Verteidigungsindustrie sagte Szijjártó, Ungarn sei in den ersten neun Monaten des Jahres der wichtigste Importeur deutscher Waffen. Dies trug zur Modernisierung des ungarischen Militärs bei. Die Minister berührten auch die Frage gemeinsamer internationaler Missionen in Afghanistan, im Irak und im Kosovo sowie den Vorschlag, ein mitteleuropäisches multinationales Militär zu schaffen, das Deutschland unterstützt, sagte Szijjártó.
Szijjártó wies darauf hin, dass Ungarn mehr als 300 Millionen Forint (913.000 EUR) zu den deutschen Wasserbewirtschaftungsprojekten in Uganda beigetragen hat. Beide Länder führen derzeit ein gemeinsames Projekt zur Entwicklung der Forstwirtschaft in Äthiopien durch und planen die Einführung einer gemeinsamen Beihilferegelung im Libanon.
„Auch die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sind eng“
Deutschland sei einer der wichtigsten außenpolitischen Partner Ungarns und dessen wichtigster Handelspartner – betonte der ungarische Minister.
Der bilaterale Handelsumsatz lag im vergangenen Jahr bei knapp 55 Milliarden Euro und sei in diesem Jahr allein in den ersten acht Monaten um vier Prozent gewachsen. Im gleichen Zeitraum überstiegen die ungarischen Exporte nach Deutschland 20 Milliarden Euro. Die 6.000 in Ungarn ansässigen deutschen Unternehmen beschäftigten rund 300.000 Menschen. Mehrere große deutsche Unternehmen haben in diesem Jahr Entwicklungen angekündigt, fügte Szijjártó hinzu, und betonte, die Regierung werde sie alle unterstützen.
Szijjártó sprach auch darüber, dass Ungarn und Deutschland in Bezug auf die EU-Erweiterung auf einer Seite seien, und beide Länder bemühten sich, die Integration der westlichen Balkanregion in die Realität umzusetzen.
Als Antwort auf die Frage, ob Ungarn die militärische Zusammenarbeit mit der Türkei angesichts der Syrien-Offensive ändern könne, stellte Szijjártó fest, dass die Türkei ein NATO-Mitglied ist und die militärische Zusammenarbeit mit dem Land „selbstverständlich“ sei. Über eine mögliche Ausweitung des Malta-Abkommens, um Migranten von Booten im Mittelmeer zu holen und sie unter willigen EU-Partnern zu verteilen, erklärte Szijjártó, Ungarn habe klargestellt, dass es keine Migranten aufnehmen und kein Abkommen unterzeichnen werde.
Maas: „Ohne Ungarns Mut wäre die deutsche Wiedervereinigung nicht möglich gewesen“
Maas betonte, wie wichtig es sei, den bilateralen Dialog aufrechtzuerhalten, und fügte hinzu, dass die beiden Länder trotz Meinungsverschiedenheiten eine gemeinsame Grundlage finden sollten.
Darüber hinaus diene die Stärkung der vielfältigen Wirtschafts-, Wissenschafts- und Zivilbeziehungen – einschließlich des Deutsch-Ungarischen Jugendforums und der Städtepartnerschaften zwischen Budapest und Berlin – den Interessen Deutschlands.
Die Gespräche umfassten auch Themen wie Verfassungsnormen, richterliche Unabhängigkeit und Pressefreiheit, sagte er. Ungelöste Fragen wie die Beachtung der Grundwerte der Europäischen Union und bestimmte finanzielle Fragen würden während der deutschen Präsidentschaft auf die Tagesordnung gesetzt, fügte er hinzu.
In Bezug auf China, die USA und die Türkei müssten Anstrengungen unternommen werden, um eine gemeinsame Position der EU-Mitglieder zu entwickeln.
Maas dankte Ungarn für die Öffnung seiner Grenzen vor 30 Jahren und fügte hinzu, dass die Wiedervereinigung Deutschlands ohne die Solidarität und den Mut Ungarns nicht möglich gewesen wäre. Er feierte auch den Jahrestag der Niederschlagung des antisowjetischen Aufstands in Ungarn im Jahr 1956.
Tag der Deutschen Einheit: Es ist mehr, was uns verbindet als uns trennt
Die Bundesregierung will die angespannten Beziehungen zu Ungarn normalisieren. Trotz des ungelösten Streits um die Flüchtlingspolitik dürfe der Gesprächsfaden nicht abreißen, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas. Gerade bei Meinungsverschiedenheiten sei es wichtig, nicht weniger, sondern mehr miteinander zu sprechen, bekräftigte der SPD-Politiker.
In einem Interview, das das ungarische Wochenmagazin „HVG“ am Montag veröffentlichte, sagte Maas auf die Frage, ob er wie Merkel zufrieden sei, wie Ungarn die europäischen Gelder einsetze: „Es ist nicht unsere Aufgabe, zu loben oder zu tadeln – und so habe ich die Kanzlerin auch nicht verstanden.“ Die Menschen in Ungarn sowie die Wirtschaft hätten aber enorm profitiert.
(Via: mti.hu, mainpost.de, Beitragsbild: MTI – Zoltán Máthé)