Infolge des russischen Einmarsches in die Ukraine haben Berichten zufolge Massen von Menschen das Land in Richtung der Nachbarländer, einschließlich auch Ungarn, verlassen. An vielen Grenzübergängen gibt es bereits enorme Staus. Die ungarischen Verteidigungskräfte rechnen derzeit mit bis zu 600.000 Flüchtlingen aus der Ukraine.
Das ungarische Nationaltheater Illyés Gyula in Beregszász (Berehovo) sollte heute Abend István Örkénys klassischen absurden Kriegsroman „Die Familie Tóth“ im Nationaltheater in Budapest aufführen. Leider wurde die Aufführung abgesagt, da alle Männer der Theatergruppe ihre Einberufungsschreiben für die ukrainische Armee erhalten haben.
Das verriet Attila Vidnyánszy, Direktor des Ungarischen Nationaltheaters, in einem Interview. Er stammt selbst aus Beregszász, der Stadt, die als kulturelles Zentrum der ungarischen Minderheit in der Ukraine gilt.
Was jetzt geschieht, ist eine Katastrophe
sagte der mit dem Kossuth- und Jászai-Mari-Preis ausgezeichnete Theaterregisseur.
Als Russland am Donnerstag im Morgengrauen mit dem Einmarsch in die Ukraine begann, kündigten mehrere mitteleuropäische Länder an, sie sind bereit, Ukrainer aufzunehmen, die vor dem Krieg fliehen. Neben der Tschechischen Republik, Polen und der Slowakei gehörte auch Ungarn zu den Ländern, die zur Aufnahme von Ukrainern bereit sind.
Da in dem Land auch fast 150.000 ethnische Ungarn leben, ist es für Ungarn besonders wichtig, die sichere Einreise von Flüchtlingen zu gewährleisten, die versuchen, dem Konflikt zu entkommen
Am Mittwoch erklärte Ungarns Verteidigungsminister Tibor Benkő, dass Ungarn bereit ist, Zehntausende von Flüchtlingen aus der Ukraine aufzunehmen.
Am selben Tag besuchte Ministerpräsident Viktor Orbán das Operationszentrum der ungarischen Streitkräfte und postete ein Video von seinem Besuch in den sozialen Medien. In den Aufnahmen ist auch eine Karte im Hintergrund zu sehen, die zeigt, dass Ungarn insgesamt rund 600.000 Flüchtlinge aus dem Osten erwartet.
Da alle Männer bis zum Alter von 60 Jahren bald zur ukrainischen Armee eingezogen werden könnten, haben viele Menschen bereits ihre Koffer gepackt und machen sich auf den Weg nach Ungarn. Berichten vor Ort zufolge haben die Menschen in Kárpátalja (Karpatenvorland/Zakarpattia) bereits die Läden, Tankstellen und Banken gestürmt und sind massenhaft nach Ungarn aufgebrochen.
Unterdessen bilden sich an den ungarisch-ukrainischen Grenzübergängen riesige Schlangen: An den beiden größten Grenzübergängen – Záhony-Csap und Beregsurány-Astély – wird jeweils ein einstündiger Stau im Personenverkehr gemeldet. Nach Angaben des Korrespondenten des ungarischen Staatsfernsehens M1, der in der Nähe des Bahnhofs in Csap berichtete, sind es vor allem junge Männer, die aus Angst vor der Einberufung in die Armee fliehen.
Die Unsicherheit und die Angst in der Region, wo auch die Ungarn leben, haben enorm zugenommen, praktisch ein Panik brach aus
sagte die Redaktion von „Kárpáthír“ gegenüber Magyar Hang. Dem Blatt zufolge „sind viele Menschen auf der Flucht, die Straßen über die Grenze sind voll, am Grenzübergang Csap-Záhony können die Menschen nicht mehr in die Züge einsteigen. Familien mit kleinen Kindern warten darauf, durchzukommen.“
Um das Chaos noch zu verschlimmern, sind die Mobilfunknetze in der Ukraine ausgefallen und die Internetverbindungen sind aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und der russischen Angriffe unzuverlässig geworden.
Inzwischen haben die ungarischen Verteidigungskräfte damit begonnen, Militäreinheiten entlang der ukrainisch-ungarischen Grenze zu stationieren. Es ist jedoch noch nicht bekannt, wie sie die Flüchtlinge unterbringen wollen.
(Via: Hungary Today, Titelbild: Vadim Ghirda/AP/MTI)