In einem am Mittwoch veröffentlichten Facebook-Video, aufgenommen in einem einstigen Wiener Arbeiterbezirk, erklärt der für das Amt des ungarischen Ministerpräsidenten zuständige János Lázár, dass Wien-Favoriten aufgrund von Immigration schmutziger, ärmer und unsicherer geworden sei. Ferner behauptet Lázár, dass „weiße Christen“ aus dem X. Wiener Gemeindebezirk fliehen würden – einem Bezirk, der zunehmend von nicht einmal deutsch sprechenden Migranten dominiert werde. Sollte Ungarn der Massenmigration nicht Einhalt gebieten, werde Budapest in 20 Jahren genauso aussehen – arm, unsicher und schmutzig.
Österreichische Politiker aller politischer Couleur haben Lázárs Aussagen zurückgewiesen. Österreichs Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) hatte seinem ungarischen Amtskollegen ausgerichtet: „Ich lasse mir meine Heimatstadt nicht schlecht reden.“ Der Wiener SPÖ-Chef und künftige Bürgermeister Michael Ludwig hat sich nach Bekanntwerden des Facebook-Videos mit dem ungarischen Botschafter getroffen – zu einem „sehr freundschaftlichen Gespräch“, da die Darstellung Wiens in dem Video „schlichtweg falsch“ sei. Auch die FPÖ hatte mit dem Kurzfilm keine Freude. Laut Wiens Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ), sei das Video „unangemessen und im Sinne der an sich freundschaftlichen Beziehungen unter Nachbarländen nicht gerade ein Akt der Höflichkeit“. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich am Mittwoch im Gegensatz zu anderen österreichischen Politikern von den Aussagen Lázárs nicht empört. Ein respektvolles Miteinander sei wichtig, betonte er in einer Stellungnahme. Es sei aber klar, „dass es dort und da Probleme gibt, über die man auch sprechen kann“.
Das Video war wegen des Vorwurfs einiger Nutzer, es enthalte rassistische Inhalte, eine Zeitlang nicht abrufbar, wurde aber nach weiteren Nutzerbeschwerden wieder zugänglich gemacht. Regierungsvertreter aus Ungarn kritisierten Facebook und warfen dem sozialen Netzwerk vor, sich in die Aprilwahlen eingemischt zu haben. Fidesz-Politiker betonten, dass große europäische Städte wie Wien, London, Paris und andere als Ergebnis der massenhaften Einwanderung zunehmend unsicherer geworden seien.
Am Donnerstag entschuldigte sich der ungarische Kanzleramtsminister János Lázár bei einer Pressekonferenz in Budapest: „Ich wollte keinen Wiener beleidigen“. Es sei ihm ferngelegen, jemanden zu beleidigen, gleichzeitig habe er aber „darauf hinweisen“ wollen, „welche Folgen Einwanderung haben kann“, erklärte Lázár nach einem Telefonat mit seinem österreichischen Amtskollegen Gernot Blümel. Sein Aufruf aus Wien habe vor allem den Ungarn gegolten. Noch bestünde die Möglichkeit, mit der Parlamentswahl am 8. April zu verhindern, dass Ungarn ein Einwanderungsland wird, so der Kanzleramtsminister. Die im Video enthaltenen Aussagen seien „nicht die offizielle Position Ungarns“. Das habe er Blümel auch telefonisch versichert, unterstrich Lázár.
Nach der Entschuldigung äußerte sich am Donnerstagnachmittag erneut der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz. Er bezeichnete Lázárs „Entschuldigung und Klarstellung“ als „gutes und wichtiges Signal“. „Unter Nachbarn sollte man einen guten Umgangston pflegen sowie so eng wie möglich zusammenarbeiten“, betonte der Bundeskanzler. „Unsere Beziehungen mit Ungarn sind jedenfalls ausgezeichnet und beim Kampf gegen illegale Migration ziehen wir an einem Strang“, sagte Kurz in einer der APA übermittelten Stellungnahme.
Ungarische Kommentatoren reagierten auf Lázárs abfälliges Wien-Video recht unterschiedlich. Péter Szikszai hält die Beurteilung Lázárs über Wien für gerechtfertigt und stimmt mit dem Minister überein, wonach sich das Leben in Wien unter dem Einfluss muslimischer Einwanderer verändere. In Magyar Idők wirft der regierungsnahe Kommentator den Liberalen vor, sie ignorierten Tatsachenbeweise, um Kritiker der Immigration zum Schweigen zu bringen. Szikszai erinnert daran, dass einer von vier Einwohnern Wiens kein österreichischer Staatsbürger sei und die Zahl der Muslime ständig wachse. Zudem habe die Polizei radikale, der Vorbereitung von Terroranschlägen verdächtige Muslime verhaftet. Der Hauptgrund für den Niedergang der Linken sowohl in Österreich wie auch in Ungarn liegt laut Szikszai in ihrer mangelnden Bereitschaft begründet, auf politische Korrektheit zu verzichten und die von der Einwanderung ausgehende Gefahr anzuerkennen.
Die Propagandashow von Minister Lázár könne von einer vernünftigen Person kaum ernst genommen werden, erklärt Judit Kósa in Népszava. Lázárs Meinung dürfte die diplomatischen Beziehungen zwischen Ungarn und Österreich verschlechtern, vermutet die Autorin des linken Spektrums. Auch János Lázár selbst werde nach diesem in ihren Augen lächerlichen, zynischen und peinlichen Propagandavideo seine Glaubwürdigkeit verlieren und als Politiker nicht mehr länger für voll genommen werden.
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