„Ich hoffe, dass der Fidesz in der EVP bleibt“ – betont László Trócsányi, ungarischer Justizminister, Fidesz-Spitzenkandidat in einem F.A.Z.-Interview. Der Politiker vergleicht EU-Kommission mit „Politbüro“ und verteidigt das neue, von seinen Kritikern für „umstritten gehaltenes“ Gerichtssystem.
„Ich habe die Unabhängigkeit der Gerichte immer respektiert, weil sie der wichtigste Wert in einem Rechtsstaat ist.“ – lautet die Antwort vom Justizminister Trócsányi auf die F.A.Z.-Frage, ob in Ungarn die Unabhängigkeit der Gerichte in Gefahr sei. Er fügte hinzu: Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Ungarn habe eine lange Geschichte. Seit dem 19. Jahrhundert bis 1949 hatte sie funktioniert, dann hat das kommunistische Regime sie aufgelöst. „Wir führen sie wieder ein.“ – so der Politiker. Auf die Kritik, dass Richter nicht unabhängig sein können, die vom Minister persönlich ausgesucht werden, sagte der Minister:
„Die Befugnisse des Ministers sind dabei stark begrenzt. Die Kandidaten werden bei dem Nationalen Verwaltungsrichterrat – einem Selbstverwaltungsorgan – in ein Namenverzeichnis, auf das nur die besten Bewerber anhand objektiver Kriterien kommen, gemäß ihrer Qualifikation gereiht. Der Minister muss sie öffentlich anhören, er muss seine Entscheidung detailliert begründen, und unterlegene Kandidaten können die Entscheidung mit Rechtsmitteln anfechten. Über die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung urteilt ein Gericht. Wir haben also Mechanismen eingebaut, die es unmöglich machen, dass der Minister willkürlich verfährt.“
Laut dem Politiker müsse man politische und juristische Argumente unterscheiden, denn die meisten Kritik – so Trócsányi – von Politikern kommen.
Auf die Kritik, dass die Richtervereinigung sich gegen den Einfluss der Präsidentin des Richteramts wehrt, weil die Richter ihre Unabhängigkeit bedroht sehen und jüngst hat sich dazu die Greco-Gruppe des Europarats besorgt geäußert, weil sie durch diesen Konflikt die Bekämpfung von Korruption beeinträchtigt sieht – sagte Trócsányi:
„Innerhalb der Richterschaft gibt es eine Diskussion. Aber die Regierung hat gar keine Kompetenz bezüglich dieser Organe. Die Rechtsstaatlichkeit wird in Ungarn zu hundert Prozent respektiert. Ich hoffe sehr, dass innerhalb der Justiz eine Lösung gefunden wird. Ich kann da aber nicht eingreifen. Ich bin zuständig für das neue System der Verwaltungsgerichte. Auf meine Initiative hin steht die Regierung im Dialog mit der Venedig-Kommission. Ich bin davon überzeugt, dass sich mit deren Votum die ganze Aufregung legt. Ehrlich gesagt, bin ich überrascht, wie groß dieser Luftballon aufgeblasen wurde. Ich bin sicher, dass nach dem Votum der Venedig-Kommission die ganze heiße Luft abgelassen ist. In Wahrheit liest von all denen, die sich da äußern, kein Mensch die Gesetze, um die es geht, und die rechtsstaatlichen Garantien, die darin verankert sind.“
Auf die Frage, ob der Fidesz nach den EP-Wahlen Mitglied einer EVP-Fraktion in Straßburg sein wird, sagte der Minister:
Die EVP sei eine große Familie. Es gebe darin viele Richtungen, die manchmal kollidieren.
Ich persönlich hoffe, dass der Fidesz in der EVP bleibt. Ich glaube, dass in Europa eine starke Volkspartei nötig ist, und die Volkspartei braucht einen starken Fidesz. Ich glaube, dass es immer möglich ist, Lösungen zu erzielen, und vertraue darauf, dass am 20. März ein weises und für uns günstiges Ergebnis erzielt wird.
László Trócsányi fügte hinzu: Die Regierungspartei habe keinen Plan B. Er vertraue darauf, dass Fidesz mit der EVP „eine Familie bleibt“. „Es wäre traurig, wenn es in der Familie zu Scheidungen käme. Wie im Privatleben ist jede Scheidung schmerzhaft, gewöhnlich gewinnt dabei niemand.“ – so der Minister.
Ob „das Anti-Juncker-Plakat“ der ungarischen Regierung eine bewusste Provokation der EVP-Parteifreunde war, sagte der Spitzenkandidat:
„An dieser Stelle haben wir nicht Juncker als Person angegriffen, sondern die schlechten Entscheidungen der Meinungsführer der Kommission. Wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die Kommission wie ein Politbüro aufgetreten ist. Wir glauben, die europäischen Verträge formulieren eindeutig.“
Laut ihm verringere sich der Einfluss des Rates und gleichzeitig wolle die Kommission die politische Richtung vorgeben.
(Via: Frankfurter Allgemeine Zeitung, geschrieben von Stephan Löwenstein, Politischer Korrespondent für Österreich und Ungarn, Beitragsbild: MTI)