Die gute Leistung der RMDSZ wird eine große Hilfe für die weitere Entwicklung der ungarisch-rumänischen Beziehungen sein, so Péter Szijjártó.Weiterlesen
Hunor Kelemen: Ein strahlender Sieger, der eine neue Herausforderung meistern muss
Die Ungarische Demokratische Allianz Rumäniens (RMDSZ) erzielte bei den Parlamentswahlen ein großartiges Ergebnis. Die politische Umbruchstimmung hat allerdings eine völlig neue Ausgangslage geschaffen, die wenig Gutes für die ungarische Minderheit verspricht.
Rumänien nach den Parlamentswahlen am Sonntag präsentiert sich als eine Gleichung mit drei Unbekannten. Ging man vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen noch davon aus, dass die politische Arithmetik des Landes trotz Erstarkens der nationalistischen Parteien erhalten bleibt, so müssen die bisherigen Regierungsparteien, die Sozialdemokraten (PSD) und die Nationalliberalen (PNL), eine neue Variable in Betracht ziehen. Neben den bisher bekannten Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) und SOS Rumänien stärkt eine weitere Partei das Sammelbecken chauvinistischer Kräfte. Es handelt sich um die Partei Junger Menschen (POT), eine 2023 gegründete politische Formation, die erst durch die Unterstützung für den Überraschungssieger der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen wahrnehmbar wurde.
In den beiden Kammern des Bukarester Parlaments konstituiert sich somit ein politischer Block, der jeweils ein Drittel der Sitze für sich beanspruchen kann und mit Fug und Recht als ‚rechtsextrem‘ bezeichnet werden kann.
Die öffentliche Mega-Hochzeit des AUR-Parteichefs George Simion, eine offensichtliche Anknüpfung an die Vermählung des faschistischen Führers Zelea Codreanu im Jahre 1925, die Allgegenwart orthodoxer Geistlicher als Wahlhelfer und Hauptprotagonisten politischer Provokationen, der mystisch verbrämter Diskurs der POT-Chefin Anamaria Gavrilă sind bewusste Anspielungen an die „Eiserne Garde“, die rumänischen Nazis. Ihr giftiges Erbe wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg nie Gegenstand einer ernsthaften Aufarbeitung. Sang- und klanglos wurden viele Schergen der „Garde“ in die kommunistischen Inlandsgeheimdienste integriert. Ihr blutiges Handwerk, das früher auf nationale Minderheiten und politische Gegner abzielte, galt nun – ganz im Sinne des Internationalismus – dem „Klassenfeind“, egal welcher Volkszugehörigkeit. Der nationalistische Wahn des kommunistischen Diktators Nicolae Ceaușescu schuf den Nährboden für die Entstehung einer toxischen Ideologie, deren bevorzugten Leidtragenden nach wie vor die ethnischen Ungarn sind und nach einer relativ kurzen Pause in Zusammenhang mit dem EU-Beitritt Rumäniens wieder fröhliche Urständ feiert.
Die wiederholte Warnung der RMDSZ-Führung vor einem Aufflammen der Ungarnfeindlichkeit wurde als taktisches Manöver zur Mobilisierung der eigenen Wählerschaft abgetan. Wenn überhaupt, sprachen rumänische Politikanalysten von einer „folkloristischen Begleiterscheinung“ der europäischen Integration, deren unaufhaltsamer Fortschritt Wohlstand und Gleichberechtigung für alle Bürger gewährleisten sollte. Nicht nur die etablierten Parteien, sondern auch die politischen Beobachter müssen Abschied von liebgewordenen Gewissheiten nehmen. Das politische System Rumäniens, durch Wechselwirtschaft zweier Parteiblöcke und den Glauben an die Unumkehrbarkeit der euro-atlantischen Ausrichtung gekennzeichnet, gehört möglicherweise der Vergangenheit an. Die RMDSZ war ein zuverlässiger Bestandsteil dieses Systems und leistete sich kaum den Luxus einer ideologischen Dünnhäutigkeit.
Die Interessenvertretung der Ungarn Rumäniens ist zwar Mitglied der Europäischen Volkspartei, muss aber der Vielfalt der siebenbürgisch-ungarischen Gesellschaft Rechnung tragen.
Der unumstrittene kleinste gemeinsame Nenner innerhalb der Organisation war und ist das Fortbestehen der eigenen Sprache und Kultur, ein Anliegen, das – gelinde gesagt – nicht zu den Prioritäten der EU gehört, daher nur durch aktive politische Mitgestaltung, sprich Regierungsbeteiligung garantiert werden kann.
Die erste Hürde, der Einzug ins Parlament, ist durch einen beispiellos intensiven Wahlkampf überwunden worden. Die RMDSZ konnte sich diesmal nicht darauf verlassen, dass die Wahlbeteiligung der ethnischen Ungarn erfahrungsgemäß höher ist als die der rumänischen Bevölkerungsmehrheit. Der demografische Rückgang der ungarischen Minderheit machte eine starke Mobilisierung der Wähler ohnehin unumgänglich. Die unerwartet große Wahlbeteiligung der ethnischen Rumänen, angefeuert durch eine gut geölte Propaganda-Maschinerie in den sozialen Medien, musste darüber hinaus durch eine nie dagewesene Kraftanstrengung der ungarischen Wahlkämpfer ausgeglichen werden.
Das Ergebnis lässt sich sehen: Die meisten für die RMDSZ abgegebenen Stimmen seit 20 Jahren.
Ob die ungarische Allianz wieder das Zünglein an der Waage im Bukarester Parlament sein kann ist allerdings fraglich. Für Verunsicherung sorgen die zweideutigen Aussagen des Noch-Vorsitzenden der Sozialdemokraten Marcel Ciolacu, aber auch mancher führenden Politiker der größeren Regierungspartei und Wahlsiegers, die darauf hindeuten, dass der Ausschluss einer Regierungsbeteiligung der AUR entgegen der früheren Beteuerungen doch keine ausgemachte Sache sei.
Dem gewieften Taktiker Marcel Ciolacu ist einiges zuzutrauen, einschließlich der Annäherung an die größte Partei des nationalistischen Blocks. Seine Weigerung, eine klare Wahlempfehlung für die Zweitplatzierte bei den Präsidentschaftswahlen auszusprechen, lässt erahnen, dass ein Sieg des nationalistischen Newcomers Călin Georgescu eine Neuorientierung der PSD nach sich ziehen könnte. Elena Lasconi, die Kandidatin der Allianz Rettet Rumänien, eine progressive Partei, die 12 Prozent der Stimmen erhielt, verdankt ihr relativ gutes Abschneiden nicht ihrer eigenen Person, sondern dem Wunsch der meisten Rumänen nach einer grundlegenden Reform des politischen Systems. Nach menschlichem Ermessen ist das Mobilisierungspotential der „souveränistischen“ Wählerschaft in Rumänien deutlich stärker. Wenn das Zentrale Wahlbüro das Ergebnis des ersten Wahlgangs bestätigt, steht einem Wahlsieg des nationalistischen Kandidaten nichts im Wege. Somit würde auch für die RMDSZ eine völlig neue Gemengelage entstehen:
Kompromisse mit den nationalistischen Parteien sind undenkbar, Bündnisse über die ideologischen Gräben hinweg möglicherweise notwendig,
damit die ethnischen Ungarn weiterhin von den Ergebnissen der EU-Integration Rumäniens profitieren können.
Beitragsbild: Kelemen Hunor Facebook