Das ungarische Parlament hat am Montag die Ernennung von Zsolt András Varga zum neuen Präsidenten der Kuria, dem ungarischen Obersten Gerichtshof, gebilligt. Varga wurde mit 135 Stimmen und 26 Gegenstimmen in geheimer Abstimmung gewählt, die linksliberale Demokratische Koalition hatte aus Protest gegen das „undemokratische Verfahren“ an der Abstimmung nicht teilgenommen. Die Opposition übte heftige Kritik an der Art und Weise, wie der Fidesz seinen Kandidaten durchdrückte. Varga wird sein Amt am 2. Januar 2021 antreten.
„Ich betrachte meine Nominierung als Vertrauensbeweis Ungarns“ – sagte der neugewählte Präsident gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur MTI.
Er schwor, sein Bestes zu geben, um dem Vertrauen gerecht zu werden, das ihm als Mitglied der Gemeinschaft der Kuria-Richter entgegengebracht wurde. Varga sagte, er werde die nächsten zweieinhalb Monate damit verbringen, die Meinungen der Richter des Gerichts über die Zukunft der Institution kennenzulernen und dabei seine eigenen Ansichten zu teilen.
Nach der ungarischen Verfassung wird der Präsident der Kuria von einer Zweidrittelmehrheit der Gesetzgeber für eine Amtszeit von neun Jahren gewählt.
Varga absolvierte 1995 die juristische Fakultät der Eötvös Loránd Universität in Budapest. Varga ist seit 2012 als Universitätsprofessor tätig. Er arbeitete in mehreren Staatsanwaltschaften in Budapest, bevor er zum Büro des Parlamentskommissars wechselte. Später wurde er Mitglied der Venedig-Kommission und war ab 2014 Verfassungsrichter. Zwischen 2017 und 2019 war er stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses für Völkerrecht der Venedig-Kommission und später des Unterausschusses für Verfassungsrecht. Varga ist auch Mitglied der öffentlichen Einrichtung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.
Oppositionsparteien lehnen Varga ab
Die Linke Demokratische Koalition (DK) hatte sich von der Abstimmung ferngehalten, während die grüne LMP schon vor der Parlamentssitzung angekündigt hat, dass sie die Ernennung von Zsolt András Varga, ablehnen.
DK betonte, dass Varga „nie Richter gewesen ist und kein einziges Urteil gefällt hat“.
Politisch sei er auch nicht tragbar, so DK weiter, weil Varga über ein Jahrzehnt hinweg Stellvertreter des Fidesz-Generalstaatsanwalts Péter Polt und damit aktiver Teilnehmer zahlreicher Skandale war. Dier Partei wird auf allen internationalen Foren gegen die Ernennung intervenieren.
In einer Erklärung verwies Loránt László Keresztes, Vorsitzender der LMP-Gruppe, auch auf Vargas mangelnde Erfahrung. Er stellte fest, dass der Nationale Justizrat es ebenfalls abgelehnt habe, der Nominierung zuzustimmen.
Laut Jobbik hätten es die ungarischen Richter letztmalig unter der Rákosi-Diktatur mit einem Staatsanwalt zu tun bekommen, die Wahl sei eine Schande für die Parlamentsmehrheit. Koloman Brenner, stellvertretender Sprecher bezeichnete die Nominierung als „Schande“ und fügte hinzu, Varga sei „die rechte Hand“ des Generalstaatsanwalts Peter Polt gewesen und habe bisher in einem „diktatorischen System gearbeitet“.
Die Wahl Vargas zum Präsidenten des Obersten Gerichtshofs war auch vom unabhängigen Landesrichterrat (OBT) abgelehnt worden. Das Gremium verwies darauf, dass Varga über keine Praxis als Richter verfüge.
(Via: mti.hu, Budapester Zeitung, Beitragsbild: MTI – Noémi Bruzák)