Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sprach über eine neue Trennungslinie in der EU,über deutsch-ungarische Beziehungen bzw. über den ökonomischen Erfolg in Ungarn im Interview mit der „Passauer Neue Presse”.
Laut Orbán haben in der EU die alten Unterschiede – ob man ein altes oder neues Mitglied ist bzw. ob man aus Westen oder Osten kommt – Ihre Bedeutung verloren. Die neue Trennungslinie verlaufe zwischen den Einwanderungsstaaten und den Nicht-Einwanderungsstaaten. „Manche Länder haben die Entscheidung getroffen, eine gemischte Bevölkerung haben zu wollen. Und andere Länder wollen sich so erhalten, wie sie jetzt sind. Das ist für uns auch eine Frage der inneren Sicherheit. Und keiner kann dem anderen den Willen aufzwingen. Die große europäische Frage lautet, wie wir künftig zusammenleben werden”, erklärte der Ministerpräsident. In dieser Frage gebe es nun mehr Emotionen als Nüchternheit, obwohl die Zukunft Europas von der Beantwortung dieser Frage abhänge. Seine Partei Fidesz sei fester Pfeiler bei der Gruppe des Bündnisses der Nicht-Einwanderungsstaaten, so Orbán weiter.
Darüber, ob die Europäische Kommission das Recht habe, entgegen dem Willen der ungarischen Regierung irgendjemand nach Ungarn zu verlegen, sage das Urteil nichts, obwohl das eine entscheidende Frage sei, sagte der Premier über das EuGH-Urteil zur Flüchtlingsverteilung. „Unsere Meinung ist, dass Gebiet und Bevölkerung eines Landes Teil seiner verfassungsmäßigen Identität sind. Und diesbezüglich kann kein europäisches Organ irgendeine Verpflichtung feststellen”, erklärte Orbán. Er erinnerte daran, dass die EU-Entscheidung über die Verteilung der Migranten bis auf eines von keinem Land umgesetzt gewesen sei, so es sei unfair, ausgerechnet Ungarn zu kritisieren.
In Ungarn sei eine auf Arbeit basierende Gesellschaft aufgebaut, was der Grundlage des ökonomischen Erfolgs sei, erläuterte der Ministerpräsident. Das erste Geheimnis des Erfolgs sei ein nach 2010 geschaffenes, auf Vollbeschäftigung ausgerichtetes System, was schon in greifbarer Nähe ist, das zweite Geheimnis sei, dass Ungarn auf eigenen Beinen stehe. Ungarn habe sämtliche Schulden, sowohl an den IWF als auch an die EU zurückgezahlt. „Wer vom Geld anderer lebt, ist letztlich ein Diener. Das passt nicht zum ungarischen Charakter”, stellte Orbán fest.
Der Premier wurde auch darüber gefragt, ob die deutsche Dominanz in den bilateralen Beziehungen spürbar ist. Es gebe keinen Grund, uns zu beklagen, lautete die Antwort. „Deutschland ist größer, reicher und stärker als Ungarn. Aber auch wenn wir kleiner sind, Deutschland muss Ungarn Achtung entgegenbringen. Das klappt nicht immer – aber immerhin meistens.” Das deutsch-ungarische Verhältnis sei etwas Besonderes, sogar Mysteriöses. „Ein bisschen jenseits des Rationalen. Da gibt es eine seelische Qualität”, erklärte Orbán. Er wies darauf hin, dass seit Jahrhunderten kein Krieg zwischen Ungarn und Deutschland geführt wurde, die Länder haben sich häufig verbündet. Nun wollen Deutschland und Ungarn gemeinsam ein Europa aufbauen. „Es gibt Meinungsverschiedenheiten – das ändert aber nichts daran, dass wir Verbündete sind”, sagte der Ministerpräsident.
via pnp.de, mti.hu; Foto: Zoltán Máthé – MTI