Am Europatag (9. Mai) gedenken wir jedes Jahr, dass wir in Europa in Frieden und Einheit leben. Das Datum markiert den Jahrestag der historischen „Schuman-Erklärung“. Bei einer Rede in Paris im Jahr 1950 stellte der damalige französische Außenminister Robert Schuman seine Idee für eine neue Form der politischen Zusammenarbeit in Europa vor, die einen Krieg zwischen den europäischen Nationen undenkbar machen würde. Gastartikel von Miklós Verseghi-Nagy. Übersetzt von Ungarn Heute.
„Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft.“ „Europa ist unser Schicksal.“ „In Europa geht es auch um Solidarität und Einheit.“ „Gemeinsam können wir zum Aufbau vieler starker Gesellschaften beitragen.“ „Wir werden uns auf eine Zukunft der Einheit, Gleichheit und Solidarität zubewegen.“ „Wir sind unterschiedlich, aber zusammen sind wir stark.“ „Europa bist du, bin ich, und wir sind es alle.“ „Unsere Bürger wollen zum normalen Leben zurückkehren und eine bessere Zukunft aufbauen.“
Diese ermutigenden Worte der Staatschefs der EU-Länder wurden anlässlich des Europatags 2020 in einer gemeinsamen Videobotschaft ausgestrahlt. Die Botschaften spiegelten die aktuelle Krise stark wider, die durch die neuartige Coronavirus-Epidemie verursacht wurde, und viele von ihnen unterstrichen die Bedeutung der Solidarität.
Den Worten der europäischen Regierungschef zuzuhören ist wie eine Beethoven-Symphonie: Sie strahlen eine perfekte Harmonie. Not bringt uns näher – dies ist tief in unserer menschlichen Natur verankert.
Es sind nicht nur die Leiter der EU-Länder, die „dieses gut gestimmte Orchester“ bilden. Die Jesuitenkonferenz der europäischen Provinziale übermittelte den Institutionen der Europäischen Union eine Botschaft über die Notwendigkeit der Solidarität inmitten der Coronavirus-Krise.
Die Corona-Pandemie habe das Bewusstsein der Verbundenheit aller Völker in Europa gestärkt. „Paradoxerweise entdecken die Menschen gerade in einer Zeit leerer Kirchen die christliche Botschaft der Solidarität neu“, heißt es in ihrer Erklärung.
Das Dokument hebt außerdem hervor:
Wir können weder als Individuen noch als Gemeinwesen hoffen, zur „alten Normalität“ zurückzukehren. Wir müssen die Zeit nutzen, um auf einen radikalen Wandel hinzuarbeiten, der von unseren tiefsten Überzeugungen inspiriert ist.
Viele Europäer sind bereit, diesen echten Gedanken aufnehmen und vertrauen darauf, dass sich die Welt nach der Coronavirus-Krise trotz aller Widrigkeiten zum Besseren verändern wird.
Wenn wir an eine bessere Welt denken, die nach der Pandemie kommt, haben wir vielleicht eine Vision davon, wie sie aussehen sollte. Eines können wir jedoch für selbstverständlich halten. Die Umwandlung in die neue Welt wird nicht durch höhere finanzielle Ressourcen vorangetrieben. Wirtschaftswissenschaftler warnen uns davor, dass das wirtschaftliche Chaos größer sein werde, als das, das wir 2008 hatten.
Aber wenn wir an einige der entsetzlichsten Leiden des 21. Jahrhunderts denken, wie Rassismus, Gewalt, Diskriminierung, ungleiche globale Verteilung des Wohlstands (Die Koexistenz von Reichtum und Armut), übergroßer ökologischer Fußabdruck, globale Erwärmung, mangelnde Solidarität, Ausbeutung, Terrorismus, bedrohliche demografische Entwicklungen, können wir uns fragen: Wie viele der Top 10 einen finanziellen Ursprung haben?
Änderungen, die uns in eine bessere Welt führen, sind nicht in einem Drehbuch abgeschrieben. Es wird auch nicht von einem Tag zum nächsten geschehen.
Der Paradigmenwechsel wird nur dann stattfinden, wenn wir freiwillig unseren Lebensverlauf ändern und die aktuelle Krise als ein zentraler Meilenstein auf dem Weg betrachten.
Es ist verlockend, Regierungen und Behörden dafür verantwortlich zu machen, die Prioritäten nach der Krise festzulegen und dementsprechend zu handeln. Unsere Führer haben sich am Europatag dazu verpflichtet, nicht wahr? Hoffen wir, dass sie wissen, was sie wollen, und dass sie es ernst meinen. Es gibt viel zu tun, um die Strukturen der Gesellschaft auf einer fairen Basis zu gründen und Leidensquellen zu beseitigen.
Dennoch ist es auch nicht zu übersehen, dass es heutzutage auch in Europa große Spannungen gibt. Mangel an koordinierter Behandlung der Epidemie. Streitigkeiten über die Finanzierung der Erholung von der Gesundheits- und Wirtschaftskrise. Eine weitere Herausforderung durch eine neue Migrantenwelle. Einige gehen sogar so weit zu sagen, dass „COVID-19 die Europäische Union zerreißen könnte“.
Die Umstände sind gegeben. Europäische Politiker müssen neue, nachhaltige und angemessene Lösungen in den Bereichen Gesundheitswesen, Beschäftigung, Sozialsysteme, Umweltschutz rasch erarbeiten. Es wird schwierig genug sein, weil diese Arbeit durch die abgeschwächten Volkswirtschaften behindert werden.
Das ist die gemeinschaftliche Dimension. Es gibt jedoch etwas, das ICH tun kann, um Änderungen vorzunehmen. Ja, wir können alle etwas bewirken. Wir haben in diesen schwierigen Zeiten so viele berührende Beispiele für Tapferkeit, Mut und Solidarität in Europa gesehen. Ob Solidarität ein Begriff wird, der einen unserer wichtigsten gemeinsamen Werte in Europa beschreibt, oder es wird nur ein Schlagwort bleiben, liegt wirklich nur an uns.
(Gastartikel von Miklós Verseghi-Nagy. Originaltext erschien auf Hungary Today, Übersetzt von Ungarn Heute, Beitragsbild: Shutterstock)