Zwei liberale Experten beleuchten den Beschluss der Regierung, dem zufolge die ursprünglich geplante Umgestaltung des Verwaltungsgerichtswesens auf unbestimmte Zeit verschoben wird. In ihren Augen versucht der Fidesz nach den Wahlen zum Europäischen Parlament einen versöhnlichen Ton gegenüber der Europäischen Volkspartei anzuschlagen. Presseschau von budapost.de.
Am Mittwoch hat der für das Büro des Regierungschefs verantwortliche Minister Gergely Gulyás mitgeteilt, dass das Kabinett Pläne über ab 2020 einzurichtende spezialisierte Verwaltungsgerichte einstweilen aufgibt. Die Idee eines getrennten Systems von Verwaltungsgerichten unter der Ägide des Justizministers war sowohl von der Venedig-Kommission und der EU, aber auch von der ungarischen Opposition kritisiert worden, da sie die Unabhängigkeit der Justiz gefährden würde. Gulyás wies zwar entsprechende Vorwürfe zurück, erklärte jedoch, seine Regierung werde ihre Reform nicht verwirklichen, solange sie international umstritten sei. Unterdessen wies der Kanzleramtsminister auch Spekulationen zurück, die Entscheidung gehe auf die Bereitschaft des Fidesz auf Verbleib innerhalb der Europäischen Volkspartei zurück.
Auf 444 interpretieren Péter Erdélyi und Péter Magyari die Aussetzung der Pläne über eine Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit als versöhnliche Geste an die Adresse von Regierungskritikern im konservativen europäischen Mainstream. Die liberalen Experten spekulieren, dass der Fidesz seine Mitgliedschaft in der Europäischen Volkspartei zurückerhalten wolle. (Wie berichtet, hatte die EVP im Vorfeld der Europawahlen im Einvernehmen mit dem Fidesz die Mitgliedschaft der ungarischen Regierungspartei suspendiert, vgl. BudaPost vom 22. und 23. März 2019 – Anm. d. Red.)
Erdélyi und Magyari weisen darauf hin, dass die Etablierung der Verwaltungsgerichte auch zu entschiedenen EU-Vergeltungsmaßnahmen hätte führen können, darunter Kürzungen von Strukturfonds für Ungarn. Die Reform würde die Unabhängigkeit der Justiz zweifellos schwächen und in der Folge westliche Investoren möglicherweise abschrecken, mutmaßen die Autoren.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: MTI – Zoltán Máthé)