Ein regierungsfreundlicher Kolumnist glaubt, dass die Opposition die Parlamentssitzung vom Montag zu Verleumdungen an die Adresse des Ministerpräsidenten missbraucht habe. Eine Kritikerin der Regierung bezeichnet die Haltung der Parlamentsmehrheit als fahrlässig kompromisslos. Ein unabhängiger Analyst warnt vor politischer Hysterie auf beiden Seiten. Presseschau von budapost.de.
Ottó Gajdics weist darauf hin, dass die Oppositionsparteien mit ihrer Weigerung, besonders rasch über eine Ausweitung der der Regierung übertragenen Corona-bedingten Sonderbefugnisse zu debattieren, nichts Wesentliches erreicht hätten. Immerhin, so Gajdics in Magyar Nemzet, könne die Regierungsseite im normalen Verfahren ihren Willen durchsetzen, wenn auch um acht Tage verzögert. Und so hätten die Oppositionsabgeordneten in der Plenarsitzung vom Montag kein anderes Motiv gehabt, als „Viktor Orbán als Diktator, den fürchterlichsten Feind dieser Welt und Zielscheibe ihres Hasses zu diffamieren“.
Die Opposition habe mit ihrem Abstimmungsverhalten in Sachen beschleunigtes Verfahren die Botschaft vermittelt, dass sie sich von den Maßnahmen der Regierung distanziere, notiert Matild Torkos auf Magyar Hang. Die Redner der Opposition hätten einen versöhnlichen Ton angeschlagen und einer sofortigen Übertragung der von der Regierung erbetenen Befugnisse zugestimmt, wenn die Mehrheit des Hauses deren Befristung für 90 Tage akzeptiert sowie das „Fake News-Gesetz“ fallen gelassen hätte.
(Letzteres sieht Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren für die Verbreitung von Falschmeldungen vor, die den Kampf gegen die Epidemie unterminieren – Anm. d. Red.) Torkos erklärt, dass die oppositionellen Vorbehalte auf mangelndem Vertrauen in die Regierung beruhen würden, und verurteilt die Regierungsseite für ihre Weigerung, sich in diesen beiden Fragen auf einen Kompromiss einzulassen.
In einem auf Nyugat veröffentlichten Interview verurteilt der Politologe Gábor Török die politisch motivierte Hysterie auf beiden Seiten. Er hält es für unfair, der Opposition vorzuwerfen, dass sie die Bemühungen um die Eindämmung der Epidemie sabotiere, empfindet aber auch deren Rhetorik über eine im Entstehen begriffene Diktatur für haltlos. Viktor Orbán könne mit Hilfe seiner Zweidrittelmehrheit alle Dekrete verabschieden, die er im Rahmen seiner Sondervollmachten durchsetzen möchte. Falls Orbán also eine Diktatur einführen wolle, könne er dies bei regelmäßigen Parlamentssitzungen tun, und zwar auch ohne die besondere Vollmacht, per Dekret zu regieren. Gegenseitige Vorwürfe sind laut Török schädlich, weil sie die Spaltung vertiefen würden, statt das gegenseitige Verständnis in einer Krise zu befördern, in der Letzteres dringend geboten wäre.
(Beitragsbild: MTI – Tamás Kovács)