„Das, vom ungarischen Parlament verabschiedete Gesetz entspricht den europäischen Standards und Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit. Die neuen Gerichte würden im Sperrfeuer internationaler Debatten stehen, was die richterliche Unabhängigkeit – wenn auch grundlos – in Zweifel zieht“ – sagte der Kanzleramtsminister am Donnerstag und kündigte gleich an, die Plänen, über die Einführung des Systems der Verwaltungsgerichte vorerst auf Eis zu legen.
Die ungarische Regierung hatte den entsprechenden Gesetzesentwurf noch im vergangenen November im Parlament eingereicht. Die Gerichte hätten von 2020 an funktionieren sollen. Den Gesetzesentwurf hatte insbesondere die Venedig-Kommission kritisiert, ein Expertengremium des Europarates. Hauptpunkt der Kritik: Bei der Bestellung der führenden Richter hätte die Regierung das entscheidende Wort gehabt.
Vor kurzem verteidigte der Spitzenkandidat zum EP vom Fidesz den Entwurf. László Trócsányi (gleich amtierender Justizminister) sagte der FAZ:
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Ungarn habe eine lange Geschichte. Seit dem 19. Jahrhundert bis 1949 hatte sie funktioniert, dann hat das kommunistische Regime sie aufgelöst. „Wir führen sie wieder ein.“ – so der Politiker. Auf die Kritik, dass Richter nicht unabhängig sein können, die vom Minister persönlich ausgesucht werden, sagte der Minister:
„Die Befugnisse des Ministers sind dabei stark begrenzt. Die Kandidaten werden bei dem Nationalen Verwaltungsrichterrat – einem Selbstverwaltungsorgan – in ein Namenverzeichnis, auf das nur die besten Bewerber anhand objektiver Kriterien kommen, gemäß ihrer Qualifikation gereiht. Der Minister muss sie öffentlich anhören, er muss seine Entscheidung detailliert begründen, und unterlegene Kandidaten können die Entscheidung mit Rechtsmitteln anfechten. Über die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung urteilt ein Gericht. Wir haben also Mechanismen eingebaut, die es unmöglich machen, dass der Minister willkürlich verfährt.“
Laut dem Politiker müsse man politische und juristische Argumente unterscheiden, denn die meisten Kritik – so Trócsányi – von Politikern kommen.
Auf die Kritik, dass die Richtervereinigung sich gegen den Einfluss der Präsidentin des Richteramts wehrt, weil die Richter ihre Unabhängigkeit bedroht sehen und jüngst hat sich dazu die Greco-Gruppe des Europarats besorgt geäußert, weil sie durch diesen Konflikt die Bekämpfung von Korruption beeinträchtigt sieht – sagte Trócsányi:
„Innerhalb der Richterschaft gibt es eine Diskussion. Aber die Regierung hat gar keine Kompetenz bezüglich dieser Organe. Die Rechtsstaatlichkeit wird in Ungarn zu hundert Prozent respektiert. Ich hoffe sehr, dass innerhalb der Justiz eine Lösung gefunden wird. Ich kann da aber nicht eingreifen. Ich bin zuständig für das neue System der Verwaltungsgerichte. Auf meine Initiative hin steht die Regierung im Dialog mit der Venedig-Kommission. Ich bin davon überzeugt, dass sich mit deren Votum die ganze Aufregung legt. Ehrlich gesagt, bin ich überrascht, wie groß dieser Luftballon aufgeblasen wurde. Ich bin sicher, dass nach dem Votum der Venedig-Kommission die ganze heiße Luft abgelassen ist. In Wahrheit liest von all denen, die sich da äußern, kein Mensch die Gesetze, um die es geht, und die rechtsstaatlichen Garantien, die darin verankert sind.“
(Beitragsbild: MTI – Lajos Soós)