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Der ungarische Ministerpräsident, Gastgeber des EPC-Gipfels, reagierte sichtlich gelassen auf die unhöfliche Geste und lächelte nur am Rande.Weiterlesen
Klaus Iohannis (r) im Gespräch mit Viktor Orbán
Hunor Kelemen zufolge ist die politische Lage in Rumänien durch den Rücktritt von Klaus Iohannis nicht instabiler geworden, im Gegenteil. Der RMDSZ-Präsident erwartet eine reibungslose Machtübergabe und macht sich zum Sprachrohr der ungarischen Gemeinschaft, indem er im Zusammenhang mit dem scheidenden Präsidenten von einer „großen Enttäuschung“ spricht.
„Wir haben vermutet, dass er zurücktreten würde, aber weder wir noch die Koalitionspartner wussten das mit Sicherheit. Der Staatschef hat die Situation, die Argumente dafür und dagegen, vermutlich über das Wochenende, analysiert und ist schließlich zu diesem Schluss gekommen“, teilte der Politiker dem Portal Maszol mit. Der RMDSZ-Chef sagte auch, dass es viele Spannungen und Wut in der Gesellschaft gebe und dass Iohannis eine große Enttäuschung hinterlasse, aber gleichzeitig habe er mit dem Rücktritt die Chance gegeben, dass sich der politische Diskurs nicht mehr um ihn dreht.
Der Präsident der Ungarischen Demokratischen Allianz Rumäniens (RMDSZ) erinnerte daran, dass er seit Dezember mehrfach gesagt habe, dass es die beste Lösung gewesen wäre, wenn Iohannis sein Mandat früher an den Senatspräsidenten übergeben hätte. Hunor Kelemen bezeichnete die Behauptungen der Analysten, der Rücktritt von Iohannis sei ein Sieg für die Ultranationalisten, da sie diesen Schritt als Erfolg für sich verbuchen könnten, als „dumm und unrealistisch“.
„Als er gewählt wurde – von 90 Prozent der Ungarn im Jahr 2014 – setzte man große Hoffnungen auf ihn.
Viele dachten, dass er als Siebenbürger Sachse sensibler für Minderheitenfragen sein würde. Alle wurden enttäuscht“,
betonte Hunor Kelemen.
Iohannis war das Feigenblatt des latenten rumänischen Chauvinismus, das sich allerdings dahingehend verselbstständigt hat, dass er nicht mehr bloß Statist, sondern Hauptprotagonist des EU-kompatiblen Nationalismus in Ungarns östlichem Nachbarland sein wollte. Der Westen hat ihn für seine Sonntagsreden mit Orden behängt, trotz Proteste der brüskierten Ungarn, denen er seine erste Amtszeit verdankt. Die Gründe, die Iohannis zu einem unwiderstehlichen Magneten für Orden und Auszeichnungen aller Art machten, verdienen eine eingehende Untersuchung. Vielleicht prädestinierten ihn seine Mittelmäßigkeit, sein vorauseilender Gehorsam gegenüber den mächtigen Verbündeten und vielleicht auch seine athletische Statur für die Rolle des „Kleiderständers“ (der Volksmund hat ihm demgegenüber den Spitznamen „Kleiderschrank“ angehängt), an dem verschiedene Stiftungen, Räte und Ausschüsse ihr dekoratives Blech aufhängen konnten.
Der Siebenbürger Sachse genoss den „deutschen“ Bonus, da er einer Minderheit angehört, die aufgrund der massiven Abwanderung kaum mehr zählt, daher von der rumänischen Öffentlichkeit als unbedenklich in Hinblick auf die eigene nationale Agenda wahrgenommen wurde. Die siebenbürgischen Ungarn haben ihre massive und bedingungslose Unterstützung für Klaus Iohannis bitter bereut. Er revanchierte sich während seines ersten Mandats mit einer Gleichgültigkeit gegenüber den Anliegen der größten ethnischen Minderheit des Landes, die nur von der offenen Feindschaft des ersten rumänischen Präsidenten nach der Wende, Ion Iliescu, übertroffen wurde. Am Anfang seiner zweiten Amtszeit schürte Iohannis nationalistische Ressentiments, indem er die ungarische Sprache karikierte, um mit seinen damaligen politischen Gegnern abzurechnen.
Das einzige „Geschenk“ für seine ungarischen Landsleute war eine rumänische Trikolore, die er den verdutzen Gastgebern bei seiner einzigen Stippvisite im Szeklerland überreichte.
Sein stark ausbaufähiges Fingerspitzengefühl wurde zuletzt am Budapester EPC-Gipfel im Dezember deutlich, als er seinem Gastgeber Viktor Orbán demonstrativ den Rücken kehrte. Im Oktober 2023 entdeckte Präsident Iohannis, der in seinen Beziehungen zur EU und zur NATO für seine Angepasstheit geschätzt wurde, eine ungeahnte Härte gegenüber seiner ungarischen Amtskollegin. Der ehemalige Physikprofessor aus Hermannstadt war mit der Leistung Ungarns nicht zufrieden und schickte es auf Walnussschalen in die Knie, nicht ohne dem „säumigen Schüler“ die verdiente Strafaufgabe aufzutragen: den Satz „Ich werde nicht mehr in Siebenbürgen investieren!“ hundertmal zu schreiben. Iohannis schalt Katalin Novák wegen angeblicher ethnischer Diskriminierung und forderte praktisch ein Veto gegen ungarische Investitionen in Siebenbürgen. „Die Ungarn, aus einem Land mit der Hälfte der Bevölkerung Rumäniens, haben 17 Mal mehr in Rumänien investiert als die Rumänen in Ungarn“, schrieb damals Ziarul Financiar.
Wenn es mit den ungarisch-rumänischen Beziehungen in den letzten zehn Jahren dennoch bergauf ging, geschah das nicht dank, sondern trotz Iohannis.
Dem im Ausland ungleich populäreren Staatschef gelingt es am Ende seiner unrühmlichen Amtszeit dennoch das Kunststück, das er aus freien Stücken nie vollbringen konnte oder wollte, nämlich gemäßigte Pro-Europäer, Rechtsextreme und Progressive einerseits und Mehrheitsbevölkerung und ungarische Minderheit andererseits gleichermaßen zufriedenzustellen: Mit seinem längst fälligen Rücktritt frisst sich die Ziege satt, der Kohl bleibt aber übrig, wie sowohl ein ungarisches wie auch ein rumänisches Sprichwort besagt. Ein Amtsenthebungsverfahren, das Iohannis die üppigen Ruhebezüge entziehen würde, ist somit gegenstandslos und das unbeliebteste Staatsoberhaupt der jüngsten rumänischen Geschichte kann sich auf die Annehmlichkeiten außer Dienst freuen.
Beitragsbild: Viktor Orbán Facebook