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Schallenberg im Jahr 2020: „Was in der europäischen Öffentlichkeit über Ungarn gesagt wird, ist teilweise übertrieben“

Ungarn Heute 2021.10.13.
FIZETŐS

„Das, was in der europäischen Öffentlichkeit über Ungarn gesagt wird, ist zu einem Teil übertrieben.“ – sagte Alexander Schallenberg (ÖVP), neuer österreichischer Bundeskanzler, der aus einer gräflichen Familie mit ungarischen Vorfahren stammt, in einem Interview mit der österreichischen Zeitung „Profil“ noch im September 2020.

Als Bundeskanzler Sebastian Kurz kürzlich zurücktrat, schlug er seinen ehemaligen Außenminister Alexander Schallenberg als Nachfolger vor, der am Montag sein Amt antrat.

Fact

Alexander Georg Nicolas Christoph Wolfgang Tassilo Schallenberg, der von einer gräflichen Familie entstammt, wurde 1969 in Bern in der Schweiz geboren – sein Vater war damals österreichischer Botschafter in der Schweiz. Schallenbergs väterliche Abstammung ist ungarisch. Der Familientradition folgend, schlug er 1997 auch eine diplomatische Laufbahn ein. Berichten zufolge war Schallenberg der Mentor von Sebastian Kurz, der sehr jung, im Alter von 31 Jahren zum Bundeskanzler gewählt wurde und vorher keine außenpolitische Erfahrung hatte. 

Im vergangenen September gab Alexander Schallenberg der österreichischen Zeitung Profil ein großes Interview, in dem er auch über die Migrationspolitik, über Ungarn und die ungarische Regierung befragt wurde. Er betonte damals:

 Ich habe seit 2015 bei der Gestaltung der Migrationspolitik mitgearbeitet und bin in dieser Frage ein Überzeugungstäter. Beim Migrationspakt bleibe ich dabei, dass es richtig war, ihm nicht beizutreten. (…) Der Fehler liegt daran, dass wir auf diese Weise weiterhin eine Politik verfolgen, die das Geschäftsmodell der Schlepper fördert.

Er war der Meinung, dass sich die europäische Debatte zu sehr um einzelne Migrantenboote und die Verteilung von Flüchtlingen dreht, während es in der Politik darum gehen sollte, wie man dies verhindern kann.

An der nordafrikanischen Küste in ein Boot zu steigen, darf nicht automatisch dazu führen, dass man in Zentral-oder Nordeuropa Aufnahme findet. Etwas überspitzt formuliert könnte man sagen: Wir müssen nicht über die Öffnung der Eingangstür sprechen, solange es jeder zum Fenster reinschafft.

Kohärenz mit Ungarn?

Profil fragte auch, warum man von ihm keine Kritik über Trump oder Viktor Orbán gehört hat. Schallenberg sagte: Er sei „kein großer Freund von Megafonpolitik“, die bloß dazu da ist, die Öffentlichkeit zu befriedigen. „Es gibt einen gewichtigen Unterschied zwischen dem, was man einander von Angesicht zu Angesicht sagt, und dem, was man öffentlich sagt“ so der Österreicher.

In Bezug auf Viktor Orbán und die ungarische Politik antwortet Alexander Schallenberg auf die Frage des Journalisten: „Ich sage nicht, dass ich mit allem einverstanden bin, was Orbán tut und sagt“, aber „wir müssen sehr eng mit Ungarn zusammenarbeiten, schon allein deshalb, weil es ein Nachbarland ist. Das bedeutet nicht, dass wir immer in allem übereinstimmen.

„Gerade wir Österreicher sollten in der Lage sein, ein Nachbarland wie Ungarn differenzierter und tiefer zu betrachten, als dies andere tun.“

Der Interviewer hat auch das Thema Pressefreiheit angeführt, in dem er auf die Entlassung des Chefredakteurs einer ungarischen Nachrichtenportals (Index) hinwies. Laut Schallenberg würden die österreichischen Zeitungen diesbezüglich auch übertreiben, in dem sie die Angriffe deutscher Medien verstärken.

Wir müssen sehr genau aufpassen, dass wir nicht eine Entwicklung verstärken, die ich als größte Gefahr in der EU sehe: die Zweiklassengesellschaft. Dasselbe Gesetz mit denselben Formulierungen wäre in einem anderen Staat als Ungarn kein Problem

Er nannte als Beispiel die Kritik (aus dem Jahr 2020) bezüglich des ungarischen Notstandgesetzes und stellte die Frage: „Wie viele Journalisten haben sich die Notstandsgesetzgebung wirklich angesehen?“

Dasselbe Gesetz mit denselben Formulierungen wäre in einem anderen Staat als Ungarn kein Problem

Bezüglich der Einhaltung der Grundwerte lehnt der Regierungschef das Vorgehen der Kommission kategorisch ab, nur Ungarn unter der Lupe zu nehmen:

Wir müssen dieselbe Messlatte an alle anlegen, sei es in Malta, der Slowakei oder Rumänien. Ja, es gibt Punkte, wo Ungarn wirklich Probleme hat. Aber man sollte deshalb nicht alles über einen Kamm scheren

Quelle: profil.at , mandinder.hu, Bild: MTI/EPA/Christian Bruna