Wöchentliche Newsletter

Spezielles wissenschaftliches Problem nach Katalin Karikó benannt

Ungarn Heute 2022.02.08.

Katalin Karikós Name ist zwar weltweit für die von ihr entwickelten mRNA-Impfstoffe gegen COVID bekannt, aber eigentlich arbeitet sie schon seit Jahrzehnten an der Technologie und forschte sehr lange gemeinsam mit ihren Kollegen daran. Die Blockierung ihrer Karriere könnte ein Beispiel dafür sein, dass die derzeitige Methode der Finanzierung wissenschaftlicher Forschung falsch ist, macht der amerikanische Publizist Stuart Buck, dessen aktueller Artikel zu diesem Thema auf Statnews.com erschienen ist, darauf aufmerksam. Er benannte sogar das Problem nach der ungarischstämmigen Forscherin Katalin Karikó. 

Die US-Forschungsfinanzierung mangelt an Kreativität und Flexibilität, da das Grundprinzip, nach dem es heute funktioniert, so lautet: „Personen und nicht Projekte finanzieren“ d. h. die besten Forscher finanzieren und das Geld nicht für kleinere Projekte verteilen, beginnt der Publizist Stuart Buck seinen Artikel zum Thema Forschungsfinanzierung auf dem Portal Statnews.com. Da taucht aber eine Frage auf, so der Autor: Was wird mit den Forschern, die zwar brillant sind, aber nicht zur amerikanischen Wissenschaftsgemeinschaft gehören? stellt Buck die Frage.

Die akademische Laufbahn von Katalin Karikó ist das beste Beispiel für dieses Problem, weshalb der amerikanische Publizist es das Karikó-Problem nennt

Die heute gefeierte ungarische Wissenschaftlerin gehört zu den Erfindern der mRNA-Technologie, die es dem US-Arzneimittelhersteller Pfizer und dem deutschen Biotech-Unternehmen BioNTech ermöglichte, in weniger als einem Jahr einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln, und die für die Bekämpfung der Epidemie von großer Bedeutung war. Doch Katalin Karikó war nicht immer so erfolgreich wie heute.

Einer ihrer ehemaligen Kollegen schrieb folgendes über die Arbeit und den Kampf von Karikó: „Als ich ins Labor kam, wurde Karikós Geschichte immer noch nur in leisen Tönen als abschreckendes Beispiel für junge Wissenschaftler diskutiert.“ Karikó selbst hat gesagt, dass es nach einer solchen Degradierung üblich ist, „sich einfach zu verabschieden und zu gehen, weil es so schrecklich ist“.

Wie auch wir darüber schon geschrieben haben, wurde Karikós erster mRNA-Therapie-Förderungsantrag im Jahr 1990 abgewiesen, danach kam eine Ablehnung nach der anderen. „Ich habe weiter geschrieben und das Konzept verbessert — bessere RNA, bessere Vortragsweise“, erzählte Karikó in einem Interview. „Ich habe mich immer wieder beworben und so versucht, staatliche Gelder oder private Unterstützung von Investoren zu bekommen — alle haben abgelehnt“, berichtet buisnessinsider.de. 

Katalin Karikó: „Als ich erzählte, dass ich bei BioNTech anfangen würde, wurde ich ausgelacht"
Katalin Karikó: „Als ich erzählte, dass ich bei BioNTech anfangen würde, wurde ich ausgelacht

Der Schwerpunkt ihres Vortrags lag auf der Entwicklung der Boten-RNA-Therapie, aber sie sprach auch über ihre Erfahrungen als Forscherin und Studentin in Ungarn.Weiterlesen

Das war vor allem harter Arbeit ohne einen einzigen freien Tag geschuldet, manchmal schlief sie auch im Labor, gab sie zu.

Die Universität stellte ihr schließlich ein Ultimatum: Wenn sie ihre Arbeit an der mRNA fortsetze, würde sie ihre Stelle als Dozentin verlieren und mit einer starken Gehaltskürzung rechnen müssen.

Trotz der Degradierung setzte sie ihre Forschungen fort und hatte das Glück, 1997 Drew Weissman kennenzulernen, einen angesehenen Immunologen mit beträchtlicher finanzieller Unterstützung, der sich für ihr Vorhaben interessierte.

Fact

Karikó begann ihr Studium an der Universität von Szeged und hier hörte sie 1976 zum ersten Mal von Messenger-RNA. Sie beteiligte sich an mehreren Forschungsmöglichkeiten, um ihre Doktorarbeit darüber zu untermauern, wie mRNA zur Bekämpfung von Viren eingesetzt werden könnte, und erwarb sogar ein Stipendium der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.

1985 zog sie mit ihrer Familie in die Vereinigten Staaten und arbeitete an der „Temple University“ in Philadelphia, vier Jahre später wechselte sie an die „Pennsylvania University“.

Karikó hatte große Schwierigkeiten, Finanzmittel für ihre Forschung zu generieren, da das Thema, auf das sie sich konzentrierte, nämlich die Verwendung von mRNA zur Herstellung neuer Impfstoffe und Medikamente für chronische Krankheiten, nicht so populär war, wie man heute vielleicht denkt. Eine große Hürde in ihrer Forschung war die schwere Entzündungsreaktion des Immunsystems, die bei Säugetieren auftrat, nachdem ihnen die mRNA injiziert worden war, was Versuche am Menschen unmöglich machte.

Weissman war fasziniert und bat Karikó, in seinem Labor mitzuarbeiten. Schließlich fanden die beiden heraus, wie man mRNA gerade so weit verändern kann, dass sie noch funktioniert, ohne dass das körpereigene Immunsystem das Molekül vorher abtötet. Dies führte zu ihrer bahnbrechenden Arbeit aus dem Jahr 2005 (die übrigens erst im Nachhinein als bahnbrechend erkannt wurde: Damals wurde sie von der renommierten Zeitschrift „Nature und Science“ auch „summarisch abgelehnt“.)

Es ist ein Wunder, dass Karikó so lange in der akademischen Welt geblieben ist, nachdem sie so behandelt wurde

so der Autor weiter.

Laut Buck sollte man sich gerade deswegen Gedanken über die „unsichtbaren Karikós“ machen: die Leute mit guten Ideen, die zu ihrer Zeit nicht populär waren und aus der akademischen Welt ausschieden. Es ist unwahrscheinlich, dass sie 1985 die einzige Person auf der Welt war, die eine interessante Idee hatte, die in den nächsten Jahrzehnten zu einer bahnbrechenden Entdeckung hätte werden können.

Und das ist der „Kern des Karikó-Problems“: Es bedurfte eines fatalen Zufalls, eines kleinen Wunders, damit die ungarische Wissenschaftlerin nicht verloren ging, sondern den Weg ins Zentrum des amerikanischen Wissenschaftslebens fand. Buck stellt zum Schluß noch die Frage, ob das Prinzip „die Person finanzieren, nicht das Projekt“ richtig sei oder nicht. Die Lösung besteht nach Ansicht des Autors nicht darin, das Prinzip der Talent- statt der Projektförderung aufzugeben, sondern es zu lockern. Es sollten viel mehr Forscher gefördert werden, auch solche, die nach dem wissenschaftlichen Konsens etwas tun, das in dem Moment noch keine Zukunft zu haben scheint.

(Via: napi.hu, statnews.com, Titelbild: MTI – Zsolt Czeglédi)