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Sportfinanzierung: Ein trojanisches Pferd Ungarns?

Ferenc Rieger 2022.08.10.

Unter dem Titel „Land in Reparatur. Sport und Soft Power. Hat Viktor Orbáns Ungarn die Autonomie im Szeklerland erreicht?“ (rumänisch) bzw. „Wie Viktor Orbán den Sport nutzt, um Ungarns Einfluss im Ausland zu vergrößern” (englisch) veröffentlicht Radio Free Europe eine investigative Reportage über die von der ungarischen Regierung getätigte Sportfinanzierung in den Gebieten West-Rumäniens mit einem bedeutenden magyarischen Bevölkerungsanteil.

Die unterschiedlichen Titel kommen nicht von ungefähr. Die rumänische Fassung spiegelt die Urangst der staatstragenden Nation vor den Autonomie-Bestrebungen in dem mehrheitlich von ethnischen Ungarn bewohnten Gebiet wider, das als Szeklerland bekannt ist. Der englische Titel ist wesentlich zurückhaltender und deutet nur eine allgemeine, nicht genau lokalisierte Gemengelage an. „Das gleiche Mariechen mit einem anderen Hütchen”, so eine rumänische Redewendung, welche die unterschiedliche Verpackung des gleichen Inhalts veranschaulicht.

„Die Budapester Regierung hat den Sportvereinen in Hargitta, Kovasna und Mieresch seit 2016 zig Millionen Euro zukommen lassen. Es wurden Sportstadien gebaut, Akademien gegründet, Investitionen in die Infrastruktur und in die Menschen des Szeklerlandes getätigt. Die Investitionen gehen über das Engagement der rumänischen Behörden in dieser Region und auch in Bezug auf die Sportinfrastruktur in den meisten Orten Rumäniens hinaus”, heißt es im einleitenden Teil des Artikels.

Der rumänische Journalist Marian Păvălașc konstatiert missmutig die oft Aufsehen erregenden  Spitzenleistungen, zumal diese im Fußball und Hockey das Ergebnis der Fördergelder aus Budapest sind. Er sieht die positive Diskriminierung der von den rumänischen Behörden vernachlässigten Gebiete mit wachsender Sorge. Man hat zuweilen das Gefühl, dass er den magyarischen Sportlern den Erfolg nicht gönnen kann. Zum einen, weil dadurch die gönnerhafte „Laissez faire“ der Mehrheit überflüssig wird, zum anderen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Dass der Verein Sepsi der Spitze der Nationalliga gefährlich nahe kommt, bereitet nicht nur Gigi Becali, dem Gottseibeiuns des rumänischen Fußballs, Kopfzerbrechen. In seiner unvergleichlich pittoresken Art erklärt er Viktor Orbán in regelmäßigen Abständen „den Krieg“ und visioniert eine von ihm herbeigeführte Apokalypse, welche die in Unordnung geratene Welt der Stadien zurecht rückt.

Es ist beinahe ein Gemeinplatz, dass Sport Identität stärkt oder sogar stiftet. Orbán hat den –  aus der Sicht des rumänischen Journalisten –  zweifelhaften Verdienst, diese Einsicht politisch in die Tat umgesetzt zu haben. Der rumänische Staat verfolgt eine ähnliche Minderheitenpolitik beispielsweise in Moldawien, nur setzt er andere Akzente: großzügige Stipendien oder die Förderung einer kirchlichen Hierarchie außerhalb der Moskauer Einflusssphäre. Ob die rumänische Soft Power die Herzen der Menschen jenseits des Pruth erreichen wird, das wird die vermutlich nicht allzu ferne Zukunft zeigen.

„Orbán hat ein grenzüberschreitendes politisches und kulturelles System mit Geld, Visionen, Ideologie, Sommerschulen, sozialen und kulturellen Netzwerken aufgebaut. […] Eine territoriale Revision ist damit nicht verbunden. […]. Die Menschen sind wichtiger!“ wird der italienische Historiker ungarischer Herkunft Stefano Bottoni zitiert. Die Anbindung der eigenen Minderheiten zum Mutterland ist auch in Rumänien eine Konstante, die in Unterschied zu Ungarn in allen politischen Lagern anzutreffen ist.

Dass Mannschaftssport, zumal Fußball dazu geeignet ist, nationale oder gar nationalistische Energien freizusetzen, ist eine weitere Binsenweisheit, die keiner weiteren Erläuterung bedarf.

Marian Păvălașc erwartet von den ethnischen Ungarn, dass sie sich soweit mit dem rumänischen Nationalstaat identifizieren, dass sie auf Stadien begeistert rumänische Fahnen mitschwingen und voller Inbrunst die Nationalhymne  mitsingen. Der alltägliche, „langweilige“ Verfassungspatriotismus der größten Minderheit Rumäniens genügt ihm nicht.

Jahrzehntelang war jedes Fußballspiel zwischen einer rumänischen und einer ungarischen Mannschaft die Fortsetzung eines imaginären Krieges mit anderen Mitteln.  Es bleibt zu hoffen, dass irgendwann in den Stadien nicht mehr alte Rechnungen beglichen, sondern einfach nur Spiele stattfinden werden.

Radio Free Europe ist ein vom US-amerikanischen Staat finanzierter Rundfunkveranstalter, der seit Jahren gezielt Medienkampagnen gegen die ungarische Regierung steuert. Die Investitionen der ungarischen Regierung im rumänischen Sport kommen der Mehrheit und der Minderheit gleichermaßen zugute und sind dazu geeignet, Brücken zwischen den beiden Nationen zu schlagen. Tendenziöser Journalismus in der Art der besprochenen Reportage zieht hingegen nur tiefe Graben unter den mittel- und osteuropäischen Ländern, die mehr denn je aufeinander angewiesen sind.

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Beitragbild: Sepsi OSK, der erfolgreiche Verein aus dem Szeklerland Facebook