Wie stellt sich Péter Szijjártó die Zukunft der EU vor? Warum ist er von Kanzler Sebastian Kurz enttäuscht? Hat der Sargentini-Bericht negative Wirkungen auf die Wirtschaft? Der ungarische Außenminister gab ein exklusives Interview dem STANDARD. Die Antworten finden Sie in unserem Bericht.
Das Vertragsverletzungsverfahren hatte bislang keine negativen Auswirkungen auf die ungarische Wirtschaft – so Péter Szijjártó dem Standard. Der Außenminister betonte: „Investoren schätzen die niedrigen Steuern in Ungarn ebenso wie die gut ausgebildeten Fachkräfte und die politische Stabilität. Die kümmern sich nicht so sehr um politische Meinungsverschiedenheiten.“ Laut Szijjártó interessieren sich Investoren nicht dafür, wie ein Land dargestellt wird.
Hätten sich große Unternehmer allein auf die Berichterstattung der internationalen Medien verlassen, hätten wir in den vergangenen vier Jahren in Ungarn nicht immer wieder neue Investitionsrekorde zu verzeichnen gehabt.
Auf die Frage, ob die Zustimmung der österreichischen VolksPartei für die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens das Verhältnis zu Sebastian Kurz verändert, sagte Szijjártó:
„Österreich und Ungarn verbindet eine lange gemeinsame Geschichte, deshalb waren wir nach dem Statement von Kanzler Kurz nicht wirklich überrascht. Aber persönlich muss ich dazu sagen, dass es eine sehr schlechte Erfahrung für mich war. Denn uns verband eigentlich eine sehr gute Freundschaft.“
Über die Mitgliedschaft der Fidesz in der EVP sagte er: Fidesz ist die erfolgreichste Partei innerhalb der EVP und sie sind daran interessiert, sie bei den nächsten EU-Wahlen zum Erfolg führen. Es gebe aber eine große Debatte darüber, wie die Zukunft von der EU aussehen sollte.
„Wir wollen an dieser Diskussion in der EVP teilnehmen, um sie wieder näher zu ihren Gründungsidealen zurückzuführen. Sehr vereinfacht gesagt hoffen wir, die Antimigrationskräfte innerhalb der EVP zu stärken. Denn derzeit ist dort das Promigrationslager deutlich stärker. Das wollen wir ändern.“
Laut Szijjártó sollten die Mitglieder des Schengenraums verpflichtet sein, ihre Grenzen zu schützen. Kommt ein Land dieser Pflicht nicht nach, sollte die Schengenmitgliedschaft ausgesetzt werden und die EU einspringen.
In Bezug auf die EU-Förderungen unterstrich der Außenminister: Ungarn empfindet es als Beleidigung, wenn die EU-Fördermittel als „Akt der Großzügigkeit der westeuropäischen Staaten dargestellt werden“ Er erinnerte daran: Ungarn habe seinen Markt geöffnet, damit westeuropäische Unternehmen, hier enorme Profite erzielen konnten.
Szijjártó wurde vom STANDARD auch über den Konflikt mit der Ukraine gefragt. Der Minister sagte: „In der Ukraine leben 150.000 Ungarn, deren Minderheitenrechte verletzt werden. Wir stellen also nicht infrage, ob die Ukrainer die richtige Regierung gewählt haben oder ob diese Regierung die richtigen Maßnahmen trifft, was Justiz, Soziales oder Wirtschaft angeht. Uns interessiert nur, dass sie der ungarischen Minderheit ihr Recht vorenthält, ihre Sprache zu verwenden und zwei Staatsbürgerschaften zu besitzen.“
Auf die Frage, wie die Regierung über einen wirtschaftlichen Erfolg reden kann, wenn seit 2010 rund 600.000 ausgebildete junge Leute das Land verlassen haben, sagte Szijjártó: es gebe eine fast Vollbeschäftigung in Ungarn und die Arbeitslosenrate liege bei 3,5 Prozent. Er erinnerte auch daran: 2017 war das erste Jahr, in dem mehr Menschen nach Ungarn zurückgekehrt als ausgewandert sind, weil die Löhne konstant steigen und immer mehr attraktive Jobs entstehen.
Über Demokratie und Medienfreiheit sagte Szijjártó:
Demokratie wird anhand von Wahlen gemessen. (…) In Ungarn hatten wir eine Rekordwahlbeteiligung von 70 Prozent. Allein unsere Partei erhielt 49,6 Prozent der Stimmen. Dreimal in Folge erreichten wir eine verfassungsgebende Mehrheit. Wenn die Situation in Ungarn wirklich so schlimm sein soll, warum erhalten wir dann eine solche Unterstützung durch das Volk?
Was die Medienfreiheit und -vielfalt betrifft betonte der Außenminister: im Internet gebe es ein Übergewicht an regierungskritischen Seiten und der populärste ungarische Privatsender RTL Klub sei auch extrem regierungskritisch. Laut Szijjártó seien die ungarischen Medien ausgewogen.
Wo ist der Soros-Plan?
Auf die Frage, ob der Soros-Plan wirklich existiert sagte Szijjártó: die Quelle des Soros-Plans sei György Soros selbst.
Er hat eine sehr klare Vorstellung von der Zukunft Europas. Er hat zu diesem Thema viele Interviews gegeben, und im Internet sind dazu viele Strategiepapiere zu finden. Er skizziert darin eine postchristliche, postnationale Ordnung, in der nationale Identitäten und funktionierende Grenzen noch weniger Bedeutung haben als jetzt.
(Via: standard.at, Beitragsbild: MTI)