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Temeswar startet als Kulturhauptstadt Europas

Ungarn Heute 2023.01.18.

Unter dem Motto „Shine your light“ wurde Temeswar (Temesvár, Timișoara) ausgewählt, neben Veszprém und Elefsina ab dem 1. Januar 2023 Kulturhauptstadt Europas zu sein. Das Portal Kultúra.hu hat mit zwei ungarischsprachigen Mitarbeiterinnen des Programms über die kulturellen Angebote gesprochen.

Licht hat eine besondere Bedeutung in der „Stadt der Funken“, in der die elektrische Straßenbeleuchtung als erste in Europa eingeführt wurde und in der 1989 der alles überstrahlende Funke der Revolution gegen die kommunistische Diktatur entzündet wurde.

Fact

Vor dem Anschluss des Banats an Rumänien bestand die Bevölkerung der Stadt an der Bega, gerne Klein-Wien genannt, aus drei fast gleich starken Gemeinschaften: Deutschen, Ungarn und Rumänen. Wesentlich kleiner, aber historisch bedeutsam war die serbische Bevölkerung. Die beachtliche jüdische Einwohnerschaft war meist ungarischer Muttersprache. Durch Abwanderung, Assimilation und v.a. dank der massiven Ansiedlung von Rumänen während der kommunistischen Diktatur ist die vielgepriesene Multikulturalität der Stadt nurmehr ansatzweise vorhanden. So gibt es beispielsweise noch etwa 15.000 ethnische Ungarn, die weniger als 5 Prozent der Stadtbevölkerung ausmachen, die aber dank der noch vorhandenen und durch die Budapester Unterstützung ausgebauten kulturellen Infrastruktur mit einem vorsichtigen Optimismus in die Zukunft blicken kann.

Ramóna Laczkó-Dávid, Koordinatorin des Kulturhauptstadtprojekts, betont, dass das Tempo der Veranstaltungsreihe hoch sein wird:

Im Durchschnitt erwarten die Besucher dreißig Veranstaltungen pro Woche, d. h. vier pro Tag, und die Veranstaltungsorte für die Vorzeigeprogramme und die damit verbundenen kulturellen Veranstaltungen werden sich auf mehrere Stadtteile verteilen.

2023 wird es mehr als ein Dutzend Festivals mit Musikrichtungen von Barock bis Rock und mehr als 15 Themenfestivals geben. Mehr als 2 500 Künstler aus Rumänien und dem Ausland werden erwartet, darunter die beiden Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk und Olga Tokarczuk. Heuer wird auch die größte Brâncuşi-Ausstellung seit fünfzig Jahren eröffnet.

Die Projektkoordinatorin sagte, dass der Titel der Kulturhauptstadt Europas es Temeswar ermöglicht hat, neue Räume, wie die ehemaligen Kinos, in den Kulturkreislauf einzubeziehen.

Die Gemeinde wird auch das Kunst-, Technologie- und Erlebniszentrum Multiplexity, die Maria-Theresia-Bastei und das Stefánia-Palais sowie weitere Veranstaltungsorte nutzen.

An den Eröffnungstagen des Kulturprogramms Temeswar 2023 – Kulturhauptstadt Europas, die vom 17. bis 19. Februar stattfinden, werden eine Reihe zeitgenössischer Künstler aus Rumänien und Europa einen neuen Ansatz für die zentralen Räume und Hauptwege der Stadt präsentieren.

Die Ausstellungen zeitgenössischer Kunst werden bis April zu sehen sein, und die drei Eröffnungstage werden mit einem Konzert von Félix Lajkó & Volosi am 19. Februar abgeschlossen.

Theateraufführungen, Festivals und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst werden oft die Schwelle von Aufführungs- und Ausstellungsräumen überschreiten und auf öffentlichen Plätzen, in den Höfen historisch bedeutender Gebäude, in weniger bekannten Vierteln und näher an den Einwohnern stattfinden, sagt Ramóna Laczkó-Dávid.

Sie führt die Multikulturalität der Stadt als Vorteil an und weist darauf hin, dass die ungarische Gemeinschaft auch in den Kernprojekten von Temeswar 2023 vertreten ist.

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Das offizielle Programm umfasst vorerst die Trilogie Die parallele Stadt, die mit dem ungarischsprachigen Gergely-Csiky-Staatstheater  und dem Deutschen Staatstheater verbunden ist.

Die Tatsache, dass es in der Banater Hauptstadt neben dem rumänischen auch noch Theater in den Sprachen der ungarischen und der deutschen Minderheit gibt, noch dazu im selben Gebäude mit der Staatsoper untergebracht, ist in Europa wohl einmalig.

Die Trilogie wird vom ungarischen Theater als ein einmaliges Erlebnis angekündigt, das Parallelwelten erforscht und überraschende Geschichten über die Josefstadt erzählt, eine der schönsten Stadtteile von Temeswar und eine der wichtigsten für die Geschichte der ungarischen Gemeinschaft. Die Zuschauer können aus drei verschiedenen Routen wählen. Zu Fuß, begleitet von Schauspielern erleben sie  Geschichte anhand verschiedener Schicksale.

Die festlich beleuchtete Milleniumskirche in der Fabrikstadt, die damals der tausendjährigen ungarischen Staatlichkeit ein Denkmal setzte.

Das Deutsche Staatstheater seinerseits bietet Vorstellungen im  Reformierten Zentrum Neues Millenium an, die einem anderen Stadtteil, der Fabrikstadt gewidmet sind, der für das vormalige „ungarische Manchester“, wie Temeswar genannt wurde, prägend war.

Gyöngyi Takács, eine Mitarbeiterin des Projektzentrums, erinnert daran, dass Hermannstadt (Nagyszeben, Sibiu) –  die erste Stadt Rumäniens, die den Titel Kulturhauptstadt Europas erhielt – eine Strategie zur Hervorhebung ihres baulichen Erbes und zur Ausrichtung gemeinsamer Feierlichkeiten verfolgte. In Temeswar hingegen werden Aufführungen für ein kleineres Publikum geplant, um die Qualität kultureller Dienstleistungen zu entwickeln.

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Via kultura.hu Beitragsbilder: Urlaub in Rumänien Facebook