Die Ungarn in der Ukraine vor einer unsicheren ZukunftWeiterlesen
Im transkarpatischen Spezialbataillon kämpfen im Donbass auch viele ethnische Ungarn, unter anderen ein Dozent der Universität von Uschhorod (Ungvár, Ungwar).
„In der zweiten Septemberhälfte, während des russisch-ukrainischen Krieges, nahm das 68. transkarpatische Spezialbataillon an der berühmten Operation Charkow teil, bei der Gebiete der dreifachen Größe Luxemburgs von den russischen Invasoren befreit wurden. Den Kämpfern wurde die Ehre zuteil, mehrere Dörfer zu befreien, insbesondere das Dorf Ambarne in der Nähe der ukrainisch-russischen Grenze, das als erstes von ethnischen Ungarn betreten wurde, mit den Rufnamen Laci, Áron, Bars. Die Ungarn waren die ersten Soldaten der ukrainischen Streitkräfte, die dieses Dorf vom Feind befreiten und säuberten.“
So berichtete einer der Soldaten des Bataillons, Sándor Fedir, auf Facebook über die Aktion.
Sándor Fedir ist nicht nur in Transkarpatien eine bekannte Persönlichkeit, sondern auch in Ungarn. Der Sohn eines ethnischen Ungarn und einer Ukrainerin ist Professor und Tourismusexperte an der Nationalen Universität von Ungwar (Uschhorod) und meldete sich in den ersten Tagen des Krieges als Freiwilliger. Der Familienvater, der nicht einmal den Grundwehrdienst geleistet hat, erregte Aufsehen durch seine Online-Vorlesungen aus den Schützengräben von Donbass.
In einem Interview mit der ungarischsprachigen Tageszeitung aus Transkarpatien sagte Fedir: „Ich kämpfe nicht nur für die Unabhängigkeit und Souveränität der Ukraine, sondern auch dafür, dass die nächste Generation in einer zivilisierten Welt leben kann.“
In seiner Einheit kommt es vor, dass wichtige Informationen auf Ungarisch ausgetauscht werden, eine Sprache, welche die Russen sicher nicht verstehen.
Der ukrainische Patriot sieht eine Parallele zwischen dem 1956-er Freiheitskampf der Ungarn und dem derzeitigen Krieg in seiner Heimat:
Auch 1956 waren die Wände der Häuser in Budapest mit der Aufschrift ‚Russki nach Hause‘ und nicht ‚Russen nach Hause‘ beschriftet. Wir kämpfen gegen dasselbe russische Imperium wie die Ungarn vor mehr als einem halben Jahrhundert, nur dass es jetzt einen anderen Namen trägt,
sagt Sándor Fedir.
Die transkarpatische Tageszeitung Kárpáti Igaz Szó weiß von neun gefallenen Soldaten ungarischer Abstammung (Stand 19.10.2022), Viktor Orbán hingegen sprach am letzten Dienstag in Berlin von 200 getöteten ungarischen Rekruten aus der ukrainischen Armee. Etwa zehn Prozent der Einwohner Transkarpatiens sind ungarischer Abstammung, Tendenz fallend. Optimistische Schätzungen beziffern ihre Anzahl auf etwa 130.000, realistische Schätzungen gehen von 100.000 Ungarn aus, die in der mehrsprachigen Region geblieben sind. Zahlreiche junge Männer im wehrfähigen Alter verlassen das Land, da sie diesen Krieg nicht als ihren ansehen.
László Zubánics, der Vorsitzende der Ungarischen Demokratischen Allianz der Ukraine (UMDSZ) beteuerte in einem Interview mit dem Nachrichtenportal portfolio.hu, dass es keine unverhältnismäßige Rekrutierung unter den Ungarn gibt, da die Regierung ethnische Spannungen vermeiden will. Die Zerstörung eines Denkmals in der Burg von Munkatsch (Mukatschewo, Transkarpatien), die von der ungarischen Bevölkerung der Region als Schlag ins Gesicht erlebt wurde, scheint diesem Narrativ zu widersprechen. Die als Symbol ungarischer Identität geltende Turul-Statue, wurde von den Sowjets 1945 eingeschmolzen und 2008 in ihrer ursprünglichen Form wieder errichtet (wir berichteten). Beobachter sehen darin eine bewusste Provokation, die nicht nur die ungarische Minderheit beunruhigt, sondern auch die ungarische Regierung anvisiert.
Beitragsbild: Levente Nagy-Pál, Twitter