Ungarische Journalisten und regierungsgegnerische Geschäftsleute könnten von der israelischen Cyber-Firma NSO mit ihrer Spionage-Software „Pegasus“ abgehört worden sein, die in der Lage ist, Smartphones zu hacken, hat das investigative Portal Direkt36.hu aufgedeckt. Die Recherche wurde durch die französische Rechercheorganisation „Forbidden Stories“ und die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ geführt. In dem Artikel heißt es: „Aus den Daten, die das internationale Untersuchungsteam erhalten hat, geht nicht hervor, wer genau die Spionagesoftware eingesetzt hat. Mehrere Umstände deuten jedoch stark darauf hin, dass die ungarischen Behörden die Software gegen unterschiedliche Zielpersonen in Ungarn eingesetzt haben sollen“.
Das durchgesickerte Dokument enthält die Telefonnummern von Personen, die offenbar das Ziel legitimer nationaler Sicherheits- oder strafrechtlicher Ermittlungen waren. Auf der Liste stehen ungarische Anwälte, Oppositionspolitiker und Journalisten.
Einer von ihnen ist Szabolcs Panyi, ein Journalist, der für Direkt36 arbeitet. Amnesty International führte eine forensische Analyse seines Mobiltelefons durch und fand schlüssige Beweise dafür, dass die Pegasus-Spionagesoftware im Jahr 2019 mehrmals auf ihn angesetzt wurde, 11 Mal an einem oder zwei Tagen, nachdem Panyi ungarische Regierungsbeamte heimlich befragt hatte. Panyi sagte, das Ziel könnte gewesen sein, die Regierung handeln zu lassen, bevor die geplante Geschichte herauskam, oder der Versuch, die Quellen zu identifizieren, berichtet 444.hu.
Unter den mehr als 300 ungarischen Zielpersonen hat Direkt36 bisher folgende identifiziert:
Pegasus ermöglicht es, alle Inhalte des Telefons zu sehen, einschließlich Nachrichten, Fotos und GPS-Standortdaten. Es kann das Gerät auch in einen Audio- oder Videorekorder verwandeln. Der israelische Hersteller behauptet jedoch, dass die Spyware nur gegen Schwerverbrecher und Terroristen eingesetzt werden kann.
Auch die NSO Group reagierte auf den Fall und sagte, dass sie keinen Zugang zu den Daten der Ziele ihrer Kunden habe und die Bedeutung der durchgesickerten Daten in Frage stellte. Sie behauptet außerdem nachdrücklich, dass sie ihre Dienste nur an Regierungen und staatliche Organisationen verkaufen, und es gibt viele Informationen, die zeigen, dass die Spionagesoftware in Ungarn nach hochrangigen Treffen zwischen der israelischen und ungarischen Regierung in den Jahren 2017 und 2018 auftauchte.
Laut unterschiedlichen Presseberichten sollen aber Geheimdienste und Polizeibehörden mehrerer Länder die „Cyberwaffe“ des israelischen Unternehmens (NSO Group) missbraucht haben, um die Mobiltelefone von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten abzuhören.
Der Artikel von Direkt36 betont jedoch, dass aus den Daten, die das internationale Untersuchungsteam erhalten hat, nicht eindeutig hervorgeht, wer genau die Spionagesoftware eingesetzt hat. Man fügt jedoch hinzu: „Im Laufe unserer Recherchen haben wir auch eine Reihe von Indizien gefunden, die darauf hindeuten könnten, dass ungarische Staatsorgane hinter der geheimen Überwachung stecken.
In den nächsten Tagen sollen viele weitere Informationen bekannt werden, an denen unter anderen neben der deutschen „Zeit“, die „Süddeutsche Zeitung“, NDR, WDR sowie 15 weitere Redaktionen aus zehn Ländern beteiligt sind.
Regierung: „Ungarn ist ein Rechtstaat und daher handelt es immer in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht für alle seine Bürger“
Auch die ungarische Regierung soll mehrere Fragen erhalten haben, die alle relevanten Behauptungen des Artikels von Direkt36 enthält. Sie sagten, laut Direkt36., dass „wir keine Kenntnis von dem angeblichen Datenleak haben, auf die sich die Anfrage bezieht“ und fügten hinzu, dass Ungarn „ein Rechtsstaat ist und daher immer in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht für alle Personen handelt“.
Opposition will das Nationale Sicherheitskomitee einberufen
Jobbik-Politiker János Stummer, Zsolt Molnár (MSZP) und Péter Ungár (LMP) gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie die Einberufung des Nationalen Sicherheitskomitees fordern, nachdem Direkt36 darüber berichtete, dass mehrere ungarische Journalisten und Geschäftsleute von israelischer Spionage-Software überwacht worden seien.
„Wenn es stimmt, was in dem Artikel steht“, so die Politiker, „ist das nach den letzten zehn Jahren ein Schritt nach vorne, der nicht ohne Folgen bleiben kann.“
Deshalb fordern sie, dass der Nationale Sicherheitsausschuss eine außerordentliche „Anhörung der verantwortlichen Regierungspolitiker und der Leiter der relevanten Dienste durchführt: „Wir wollen eine vollständige Antwort auf alle Behauptungen des Artikels haben, denn wenn die Regierung nicht in der Lage ist, die Behauptungen zu widerlegen, werden wir sie als Tatsache behandeln. Ebenso werden wir es als Eingeständnis werten, wenn entweder Regierungsmitglieder oder regierungsnahe Mitglieder des Komitees die Sitzung boykottieren.“
(Quellen: Direkt36, 24.hu, 444.hu, spiegel.de, Titelbild: Elchinator –Pixabay)