Am Montag veröffentlichte die Open Society Foundations, die ungarische Dependance eines von Soros gegründeten internationalen Stiftungsnetzwerks, eine Erklärung. In ihr werden die sieben Aussagen des von der Regierung erarbeiteten Fragebogens zur Nationalen Konsultation über illegale Einwanderung als falsch zurückgewiesen. Die Stiftung stellt fest, dass vier der Behauptungen die Realität verzerren würden, während weitere drei vollständig unwahr seien. In einem Interview mit der Financial Times warf Soros persönlich Ministerpräsident Viktor Orbán vor, er baue einen Mafia-Staat auf. Ungarische Presseschau von budapost.de:
Eine linksorientierte Kommentatorin lässt die Behauptung von George Soros gelten, wonach die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen nicht der Wahrheit entsprächen. Zudem beklagt sie den Erfolg des Lügens in der Politik. Ihr regierungsnaher Kollege weist die Sicht des ungarisch-amerikanischen Finanziers zurück, dass Ministerpräsident Orbán einen Mafia-Staat führe, und nennt Soros seinerseits einen Mafioso, während ein unabhängig-konservativer Kommentator vermutet, dass die von den Open Society Foundations geplante Kampagne zur Abwehr der gegen ihren Gründervater erhobenen Vorwürfe letztendlich in die Hände der Regierung spielen werde.
In Népszava pflichtet Judit N. Kósa der Open Society Foundations bei. In ihrem Kommentar hält sie der Regierung vor, die Öffentlichkeit belogen zu haben. Kósa erinnert daran, dass der ehemalige (seinerzeit sozialistische) Regierungschef Ferenc Gyurcsány seinen Job verloren habe, nachdem er zuvor eingeräumt hatte, die Öffentlichkeit sei durch ihn und sein Kabinett belogen worden. (Gyurcsány hielt seine berühmt-berüchtigte „Lügenrede“ von Őszöd im Jahr 2006 und trat im Zuge der Finanzkrise im Jahr 2009 zurück) Laut Kósa war Gyurcsánys Ansprache keine echte Lüge, habe er doch lediglich die bis dahin herrschende Art und Weise des Regierens ändern wollen. Im Gegensatz dazu würde die amtierende Regierung in allen sieben im Soros-Fragebogen angeführten Behauptungen lügen. Kósa erinnert an die erste Zeitspanne im demokratischen Ungarn der frühen 1990er Jahre und behauptet, dass Lügen damals bestraft worden wären. Es habe zweieinhalb Jahrzehnte gebraucht, um Ungarn derartig tief sinken zu lassen.
In Magyar Idők äußert Zsolt Bayer die Vermutung, dass die Open Society Foundations lediglich eine einzige falsche Aussage im Fragebogen ausfindig gemacht habe. In der Tat habe Soros seine Meinung gegenüber 2015 geändert. Damals habe er vorgeschlagen, dass Europa eine Million Einwanderer aufnehmen sollte, später habe er aber diese Zahl auf 300.000 pro Jahr reduziert. „Hurra“, ruft Bayer in Klammern gesetzt aus. Ansonsten hätten die Aussagen des Fragebogens Bestand. Besonders heftig ist für Bayer allerdings der von Soros erhobene Vorwurf, wonach Orbán an der Errichtung eines „Mafia-Staats“ arbeite. „Soros selbst ist ein Mafioso“, schäumt der Autor und erinnert an die Rolle des Investors zu Zeiten der Besetzung Ungarns durch Nazi-Deutschland. Der damals 14-jährige Soros war nämlich Assistent eines jüdisches Eigentum beschlagnahmenden Beamten. Auch verweist Bayer auf einige seiner Währungsspekulationen, die Soros in mehreren Ländern den Status als Persona non grata eingebracht hätten.
Aus der geplanten OSF-Gegenkampagne dürfte sich zwangsläufig ergeben, dass die nächstjährigen Parlamentswahlen zur Volksabstimmung über George Soros werden, notiert István Sztankóczy. Auf Válasz warnt der Kolumnist davor, dass die von den Open Society Foundations angekündigte Kampagne zur Widerlegung der im regierungsamtlichen Fragebogen zur Nationalen Konsultation enthaltenen Behauptungen unweigerlich nach hinten losgehen werde. Falls der Feldzug mit verschiedenen Interviews, Pressemitteilungen und Video-Monologen von Soros persönlich wie bisher eher halbherzig geführt werden sollte, dürfte er nur eine informierte Minderheit erreichen, die „die simplifizierenden Botschaften der Regierung“ kaum schlucken würden. Falls sich hingegen Soros „richtig ins Zeug legen“ und das Land mit Reklametafeln zustellen sollte, dann könnte er vielleicht einige Leute überzeugen, aber gleichzeitig die These der Regierung untermauern, wonach es sich bei ihm um einen furchteinflößenden Riesen handele. Und genau das sei das Image, auf dem die Kampagne der Regierung basierte, erinnert Sztankóczy.
via budapost.de, Foto: magyaridok.hu