Auf einer Veranstaltung der Fidesz-Sommeruniversität im siebenbürgischen Kurort Tusnádfürdő (Băile Tușnad, Rumänien) hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán seinen alljährlichen Vortrag gehalten. Er konstatierte, dass die Ungarn vor 27 Jahren geglaubt hätten, sie müssten lediglich Westeuropa nacheifern und ihnen würde eine leuchtende Zukunft garantiert. Heutzutage verliere Europa seine Kernwerte aus den Augen – christdemokratische Parteien würden entchristianisiert, während die Linke ein Bündnis mit dem globalen Kapital eingegangen sei. Die Gefahren einer massenhaften Einwanderung aus anderen Kulturräumen würden sie nicht sehen wollen. Mitteleuropäische Länder dagegen schätzten ihr kulturelles und nationales Erbe, infolgedessen „sind wir die Zukunft Europas“, so Orbán wörtlich. Zugleich warnte er davor, die Europäische Union mit noch mehr Kompetenzen auszustatten. Im Gegenteil, einige ihrer Machtbefugnisse sollten an die Mitgliedsstaaten zurückgegeben werden, forderte Orbán. Seine Einschätzung, wonach die vier Visegrád-Staaten die Zukunft Europas repräsentieren würden, wird von Kommentatoren sehr unterschiedlich bewertet. Ungarische Presseschau von budapost.de:
In Népszava liest Róbert Friss die Worte des Ministerpräsidenten als einen Beweis dafür, dass er „die Union zurück in die Vergangenheit drängen“ wolle. Dabei müsse die EU „vorwärts gehen, wo ihre einzige Zukunft“ liege, so die Überzeugung des Autors, der Orbán im Folgenden als eine Person beschreibt, der etwas über die Einheit der Visegrád-Vier in einen dunklen Wald hineinrufe, während diese Einheit doch ziemlich brüchig erscheine. Heutzutage sprächen Warschau, Prag, Bratislava und Budapest mit einer Stimme, doch angesichts die Union betreffender französisch-deutscher Zukunftspläne könnten längerfristige nationale Interessen diese Einheit sehr wohl aufbrechen, warnt Friss.
Sándor Faggyas dagegen lobt in Magyar Hírlap die ungarische Haltung als Ausdrucksform „nüchterner Realpolitik“, die lange Zeit einzigartig in Europa gewesen, aber inzwischen vom Rest der Visegrád-Staaten übernommen worden sei. Diese Länder würden immer enger kooperieren, während sie diesen Weg beschritten. Faggyas akzeptiert die Definition Orbáns, wonach es sich bei den V4 um die sicherste und dynamischste Region in Europa handle – und Sicherheit werde bei Geschäftsentscheidungen zu einem immer wichtigeren Faktor, fügt Faggyas hinzu.
via budapost.de, Foto: Nándor Veres- MTI