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„Die ungarischen Maler haben auch Möglichkeiten. Sie brauchen dazu Glück und einen Mäzen“

Ungarn Heute 2020.03.06.

Sie ist jung, schön und begabt. Und nicht irgendwie. Anna Bazsik ist eine Kunstmalerin. Ihre Bilder zeugen tausende Gefühle, man bleibt vor einem stehen und beginnt nachzudenken. Worüber sinnt sich jener Geschäftsmann in einem Anzug vor einer Marienstatue nach? Warum sitzt ein Pfarrer in dem eingestürzten Haus? Was macht der – eine Leuchtweste tragende – Mann in der Mitte der Landstraße? Und was für eine Maltechnik verwendet die Künstlerin, dass die Figuren auf ihren Bildern fast leuchten? In ihrem Studio findet man noch viele gleiche Überraschungen. Ein Interview über Kunst, Inspiration und den Einfluss der sozialen Medien.

Was für Gemälde verfertigst du gerade? 

Aktuell beschäftigen mich zwei Themen, die interessanterweise miteinander besonders zusammenhängen: das eine ist die nächtliche Reflexion des Lichtes, das andere sind meine Regentropfenbilder. Diese zwei Motiven leben jetzt parallel in mir. Mit dem ersten Thema hat mich ein Fotograf aufgesucht, mit dem ich eine sehr gleiche Denkweise habe: auf seinen Bildern sind Männer in Leuchtweste zu sehen. Ich habe ihm sofort geantwortet, dass ich es sehr gerne malen würde. Wir haben beiderseits über einander gefreut.

Ich jage oft auf die guten Kompositionen

Du hast erwähnt, dass es zwischen diesen Bildern einen Zusammenhang gibt. Wie weit?

Meine Arbeitsthemen verändern sich ständig, die bauen sich aufeinander, und ihre Verknüpfung ist das Licht.

Du beschäftigst dich mit den einzelnen Themen relativ lange, geraume Weile standen deine Bilder mit großen Menschengestalten im Mittelpunkt, der Mann in einem Anzug von hinten gemalt, dann gab es mehrere mit religiösem Thema und jetzt sind die düsteren Bilder aktuell, jene mit der Leuchtweste sowie mit Regentropfen. Wann und warum wechselst du dein Thema? Verlierst du dein Interesse? Oder bekommst du andere Inspirationen?

Ich habe grundsätzlich eine ziemlich ungeduldige Persönlichkeit, deshalb wechsele ich relativ oft meine Themen. Ich arbeite parallel auf verschiedenen Werken, mein Ungeduld entsteht auch davon und dazu kommt, dass ich ziemlich schnell male. Ich denke schon während des Schaffens des gegebenen Gemäldes über mein nächstes Bild nach. Das Licht verknüpft aber die sämtlichen Themen. Die berühmten Maler des Barocks haben mich dabei inspiriert, nämlich ist die Arbeit mit dem Licht eine große barocke Erfindung.

Die großen Künstler, wie Rembrandt oder Caravaggio haben ganz aneignet den Fokus des Betrachters mit dem Licht zu führen und vielleicht haben auch meine Bilder diese Fähigkeit.

Also sind deine Bilder hinsichtlich der Technik mit dem Barockstil verwandt?

Ich bemühe mich dauernd technisch zu entwickeln und ständig zu experimentieren. Teilweise deshalb habe ich begonnen das Licht nicht nur zu abbilden, sondern habe ich auch probiert mit dem Licht auf Fotos zu arbeiten. Oder ich habe mich damit befasst, wie die Spiegelung funktioniert, das heißt wie die Reflexion des Lichtes gemalt werden kann.

 

Du hattest vor kurzem eine Bildserie mit religiöser Thematik. Warum hast du dich mit diesem Thema beschäftigt?

Ich habe schon lange her gemerkt, dass ich mich von der Ikonografie begeistern lasse. Dadurch, dass ich diese Werke auf bewegende Figuren projiziert habe, habe ich versucht sie in die Gegenwart zu holen. Ich fühle, dass ich etwas zum Leben erwecken konnte. Ich dafürhalte, dass der Glaube eine lebendige Sache ist. Mit diesen Werken konnte ich dieses Gefühl darstellen.

In diesem Fall geht es um keine „statischen“ Gemälden sondern um Bilderfolgen. Was ist es genau?

Diese Werke waren Lichtinstallationen, ich habe also Fotos mithilfe eines Projektors auf bewegliche Gegenstände und Menschen projiziert.

 

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Photowork #artwork #art #annabazsik #jesus #body #god

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Du hast erwähnt, dass du sehr ungeduldig bist und schnell arbeitest. Was bedeutet das genau?

Ich mag, wenn die Oberfläche frisch bleibt. Ich mag, wenn manche Schichten lasierend bleiben oder wenn bestimmte Schichten pastös sind und diese sich vermischen.

Ich finde diese etwa phlegmatische oder nachlässigere Technik zu mir passend, sie funktioniert, ich mag sie

Ich kann mich einfach nicht zwingen mit den einzelnen Oberflächen stundenlang zu trödeln. Es ist eines der „Symptomen“ meiner Ungeduld.

Kommt es aber auch vor, dass du nachträglich korrigierst? Nach 1-2 Wochen oder nach einem Monat?

Ja, 1-2 Wochen kann es noch sein, aber nach einer bestimmten Zeit niemals mehr. Mit frischen Augen merke ich immer Fehler auf dem Bild, wenn später, dann bin ich schon weit in einer anderen Arbeit, und ich verbessere es nicht mehr gerne.

Hast du ein Liebligsgemälde, von dem du dich nicht gerne trennen würdest? Selbst wenn alles Geld der Welt dir angeboten würde?

Alles Geld der Welt? Nein, solch ein habe ich nicht. (Lacht.) Klar, habe ich Lieblinge, insbesondere die Bilder, die in einem bestimmten Thema zuerst geboren sind, und welche mir einen neuen Trend entdecken lassen, der später sogar mehr Werke erzeugen kann. Es ist oft der Ausgangspunkt, der Ursprung, von diesen Bildern trenne ich mich schwierig.

Ist es schon geschehen, dass du dich von einem Bild zwar schwierig trennen konntest, hast du es aber getan?

Ja, es ist schon geschehen. Diese sind meistens Geschenke. Also sie wurden schon ursprünglich als Geschenk angefertigt. Es tut mir aber nicht leid, weil ich mich freue, wenn ich jemandem damit Freude bereiten konnte.

Bei vielen deiner Bilder ist es mir erstaunlich, wie du einen Moment aus der Wirklichkeit herausgreifst, und ihn in irgendeine unerwartete Situation hineintust, und es treibt mich an über das Bild nachzudenken. Warum steht zum Beispiel ein Mann in einer Leuchtweste in der Mitte der dunklen Landstraße? Werdest du oft gefragt, was du damit mitteilen wolltest?

Ich mag den Kontrast verwenden, sogar um solche Gedanken zusammenzubinden, die sonst nicht zusammenpassen würden. Ich habe seit meiner Kindheit einen Fetisch: wenn ich auf einer dunklen Straße nach Hause gehe, bedeutet es mir immer ein besonderes Gefühl. Es ist mir etwas Symbolisches auf der dunklen Straße zu laufen, von der man nicht weiß, wohin sie führt.

Das ist mir sehr mysteriös. Die Dunkelheit, wie man in die Unbekannte vorankommt. Die Straße ist auch geheimnisvoll, und die kann ich absolut mit dem Leben, also mit der Wirklichkeit vergleichen

Magst du Feedbacks bekommen? Magst du, wenn die Frage gestellt wird, wie die Schüler im Literaturunterricht fragen, „Woran der Poet dächte?“

Ehrlich gesagt, ich bin diejenige, die die mein Gemälde an die Wand hängende Person fragt, warum sie die mag. Es interessiert mich, weil es ist mir klar, dass viele keine solche Bilder an die Wand hängen würden.

Die sind – wie könnte ich erklären – keine beruhigenden Bilder, sie sind oft nicht einmal besonders dekorativ, ich kann es verstehen, dass nicht alle sie gerne im Wohnzimmer beobachten würden.

Ich habe schon von mehreren die Rückmeldung bekommen, dass meine Werke entsetzlich seien. Zum Beispiel, weil sie nicht begreifen können, warum eine bestimmte Figur auf einem Bild ist. Und infolge der problematischen Fassbarkeit, können die Leute etwa abgeschreckt werden.

Aber einige Leute sehnen sich ausdrücklich dafür, und ein Bild wurde sogar von jemandem aus New York durch Instagram gekauft…

Ihm hat dieser Stil gefallen und anhand seiner Profil meine ich, dass er generell offen für die Gegenwartskunst ist. Er hat mich beispielweise durch die sozialen Medien gefunden.

Bekommst du öfter „Anträge“? Ist es als Künstler eine Herausforderung? Sollst du bei einem solchen Antrag Kompromissen schließen?

Gott sei dank es kommt ziemlich selten vor, dass ich Kompromissen schließen sollte. Es ist ja das größte Glück und Anerkennung für mich, wenn das fertige Werk gefunden und von mir gekauft wird. Es ist aber auch eine große Ehre, wenn ich aufgesucht werde und ein Antrag mir gestellt wird. Ebenfalls eine positive Rückmeldung ist, wenn jemand sich für meine Arbeit interessiert und er dadurch seine eigene Vorstellung verwirklichen lassen möchte.

Erleichtern oder erschweren die sozialen Medien das Leben eines Künstlers im 21. Jahrhundert?

Meinen Erfahrungen nach erleichtern sie es. Für den großen Anteil meines Verkaufs kann ich den sozialen Medien danken.

Dazu kann ich auch sehr viel von den anderen Künstlern lernen, deren Werke durch das Internet einfach zuganglich sind – Solche Künstler können mich dadurch beeinflussen, mit denen ich sonst wahrscheinlich nie treffen würde. Es hat natürlich auch die Nachteile, es gibt aktuell in der Kunst eine sogenannte Überproduktion. Es gibt mehr Künstler als das Land oder die Welt vertragen könnte. Anderseits gibt es heutzutage viel mehr solche gesellschaftlichen Probleme, die diese Künstler aufzuarbeiten versuchen.

Wie weit ist Ungarn in dieser Hinsicht speziell? Ist es schwieriger an den Versteigerungen der großen Auktionshäuser teilnehmen zu können? Wovon hängt es eigentlich ab?

Es hängt einerseits vom Glück anderseits vom Management ab.

Beispielweise ist es ein großer Vorteil, wenn man einen Mäzen finden kann. Es hängt von den Beziehungen auch viel ab

Daheim gibt es auch viele gute Möglichkeit, Bewerbungen und Stipendien. Ich habe aber die Vorbereitungen für diese praktischen Sachen von dem Studium vermisst. Zum Beispiel auf welchen Plattformen diese Möglichkeiten zu finden sind oder wie man eine solche Bewerbung schreiben soll. Aber für einen jungen Künstler ist es auch eine riesige Möglichkeit, wenn er durch eine Galerie gefördert wird, die sogar einen 50 % Prozent Anteil des Verkaufs hat, aber die gleichzeitig seiner Karriere einen anfänglichen Schwung gibt.

Hast du als Künstlerin kurz- und langfristige Pläne? Kann man eigentlich in diesem Bereich planen?

Als Berufsanfänger sehe ich bisher nur sicher, dass ich aktiv bleiben will, mich möglicherweise dadurch weiterentwickeln will.

Ich wende mich zu meinem Beruf mit Ergebenheit und ich möchte viel von meinen Meister und Vorbilder erlernen. Ich hoffe, dass der Gott mir zeigt, ob es mein Weg ist oder nicht.

Dein bürgerlicher Beruf hängt mit der Kunst auch eng zusammen, du unterrichtest Kunst in einer Grundschule nah zu Budapest. Wie wirkt das ziemlich streng geregelte Erziehungssystem auf die künstlerische Freiheit? Hast du Möglichkeit deine Kreativität zu verwenden?

Ich mag es besonders, bei natürlichem Licht zu arbeiten, bei künstlicher Beleuchtung male ich nur, wenn ich muss. Deshalb habe ich neben dem Unterrichten, vor allem jetzt im Winter, nur am Wochenende Zeit zu schaffen. Allerdings denke ich, dass dieser Job die Kreativität absolut fördert. Ich habe Glück, weil ich in der Schule frei arbeiten darf und ich bin sehr gut unterstützt. Eine Schwierigkeit ist nur, dass ich in einer Grundschule mit Sportschwerpunkt unterrichte, wo es schon gut ist, wenn 1-2 Schüler pro Klasse sich für Kunst interessiert.

Deshalb arbeiten wir meistens an solchen Aufgaben, in denen nicht das Produkt, sondern eher die Arbeitsfolge wichtig ist, dadurch können jene Kinder die positive Wirkung der Kunst erleben, die sonst nicht besonders künstlerisch orientiert sind

Aber in den Sonderkursen erfolgt eine begeisterte Arbeit, beispielweise in den Gruppenprojekten. Obwohl die Schüler jung sind, 10-14 Jahre alt, versuche ich sie in die Gegenwartskunst einführen. Wir befassen uns oft mit gesellschaftlichen Problemen, zum Beispiel haben wir vor einigen Wochen Anti-Plastiktüte Plakaten gemacht und wir bewerben uns um den Naturfilm Wettbewerb im Frühling mit einem aus Recyclingmaterialen hergestellten Plastik.

Fact

Anna Bazsik

geb. in Kerepestarcsa - Ungarn, am 04. Dezember 1992.

Schulen:

2012 – 2015 Eger, Eszterházy Károly Hochschule, Fakultät für Geisteswissenschaften, Bachelor-Maler

2015 – 2018 Eger, Eszterházy Károly Hochschule, Lehrer für visuelle und Umweltkultur, Lehrer für Talententwicklung

Einzel- und Gruppenausstellungen:

2015
TÉR/KÉP Molino Ausstellung von den Werken sieben junger Maler, Gárdonyi Platz und Dobó Platz, Eger
33. Frühlingsausstellung in Salgótarján, Dornyay Béla Museum, Salgótarján
Semmi sem semmi (Nichts ist nichts), Kepes Művészeti Központ, Eger
Semmi sem semmi (Nichts ist nichts), Vitkovics Alkotóház, Eger
Semmi sem semmi (Nichts ist nichts), Fuga, Budapest

2016
REFIND, Arkt Művészeti Ellátó, Eger
Kézjegyek (Unterschriften) Eger
XXIII. Winterausstellung in Miskolc, Miskolci Galéria

2017
Közös meder (Gemeinsames Bett), Eszterházy Károly Universität, Comenius Campus, Sárospatak
Idézőjel Space Idézőjel (Komma Space Komma), B32 Galerie, Budapest

Einzelaustellungen:

2017
Idegen (Fremde), Artiszt Kultúrbár, Eger

Dafür sollen nicht nur die Schüler, sondern auch ihre Lehrerin kreativ werden, stimmt?

Im Sonderkurs inspirieren wir einander gegenseitig. Es kommt vor, dass ein Schüler eine gute Idee sagt, und dann sie folgen die weiteren Reaktionen, sie entfachen einander. Es ist gut zu sehen.

Es wird oft gesagt – in jeder Kunstgattung – wenn die Kunst in jemandem stecke, man kann nichts dagegen tun, man kann nicht entfliehen. Könntest du ohne Malerei leben?

Ich könnte nicht. Ich kann es nicht einmal vorstellen.

(Interview von Zsófia Nagy-Vargha, übersetzt von Kinga Kenyeres-Gyulassy, Fotos: Anna Bazsik, über die Austellungen: heon.hu)