Der vieldiskutierte Gesetzentwurf mit dem Spitznamen „Stop Soros“, mit dessen Hilfe die ausländische Finanzierung von bestimmten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) besteuert werden soll, wurde dem ungarischen Parlament vorgelegt. Nach Vorhaben müssen NGOs, die einer massenhaften Einwanderung Vorschub leisten, künftig eine Genehmigung des Innenministeriums einholen. Die von den Organisationen eingenommenen Steuergelder sollen letztendlich in die Grenzsicherheit investiert werden. Sowohl in Ungarn, als auch auf internationaler Ebene wird das „Stop-Soros-Gesetzespaket“ extrem unterschiedlich bewertet.
Ein liberaler, ungarischer Journalist vermutet, dass die Vorlage scheitern könnte, denn den Regierungsparteien fehle die aufgrund eines Gesetzesparagraphen notwendige parlamentarische Zweidrittelmehrheit. Auf der Onlineplattform von HVG zählt Dávid Dercsényi diejenigen NGOs auf, die vom geplanten Gesetz betroffen sein könnten. Die Maßnahme der Regierung würde den Fortbestand von Wächter-NGOs gefährden, beklagt der Autor. Doch sollte das Gesetz tatsächlich angenommen werden, gingen die Nichtregierungsorganisationen davon aus, dass es sicherlich entweder vom Verfassungsgericht oder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kassiert werden dürfte. Nun sehe der Entwurf aber auch Änderungen des Gesetzes über die Nationalen Sicherheitsdienste vor, die eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit erfordern würden. Allerdings fehlten der Regierungsseite dafür zwei Stimmen. Die Regierung wisse das alles und könnte deshalb den Gesetzentwurf nutzen, um im Zuge des Wahlkampfes mit dem Finger auf die Opposition zu zeigen, anstatt das Gesetz tatsächlich in Kraft zu setzten, vermutet Dercsényi.
Eine regierungsnahe Kolumnistin in Ungarn dagegen hofft auf eine internationale Vorbildfunktion des Gesetzespaketes. Gabriella Lengyel bezeichnet das Dokument als einen „epochalen Gesetzentwurf“, der die Mehrheit der ungarischen Gesellschaft vor Plänen zur Ansiedlung von Massen an Migranten im Lande schützen solle. In Figyelő weist sie den Vorwurf zurück, die Regierung wolle gegenüber der „Zivilgesellschaft“ hart durchgreifen. In Ungarn existierten 60.000 NGOs und lediglich „ein lautstarkes Dutzend“ von ihnen verfolge Ziele, die dem frei zum Ausdruck gebrachten Willen der Bevölkerung widersprächen, argumentiert Lengyel und resümiert: Hoffentlich würden weitere Regierungen dem ungarischen Beispiel folgen, „um die beschädigten Werte des jüdisch-christlichen Europas“ zu retten.
Nils Muižnieks, der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, zeigte sich „alarmiert” von dem Vorstoß Ungarns und kritisierte die „Aggressivität” der geplanten Maßnahmen. Die deutsche Bundesregierung protestierte auch gegen den Gesetzentwurf. In einer Erklärung aus dem Berliner Außenministerium vom Donnerstag erläutert der Staatsminister für Europa Michael Roth: „Die von der ungarischen Regierung im Parlament eingebrachten Gesetzesentwürfe erschweren die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich um Flüchtlinge und Asylsuchende kümmern oder machen sie vielleicht sogar unmöglich. Ich habe gegenüber der ungarischen Regierung unsere Bedenken unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Ob es sich um Bildungsprojekte, Hilfe für sozial Schwache, um die Anliegen von Flüchtlingen oder nationalen Minderheiten handelt: Demokratie lebt davon, dass sich Menschen für ihre Überzeugungen einsetzen. Eine gemeinsame Europäische Union verpflichtet uns, alle vier Grundfreiheiten auch über Grenzen hinaus zu achten und zu schützen. Nur mit einer lebendigen und kritischen Zivilgesellschaft können wir unser gemeinsames Europa der Werte aufrecht erhalten.”
via budapost.de, auswaertiges-amt.de, sueddeutsche.de; Foto: magyaridok.hu