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Ungarn – 15 Jahre in der EU

Ungarn Heute 2019.05.02.

Angesichts von 15 Jahren ungarischer Mitgliedschaft in der Europäischen Union ziehen rechts- und linksorientierte Kolumnisten Bilanz. Ungarn war am 1. Mai 2004 gemeinsam mit neun weiteren Staaten Osteuropas sowie des Mittelmeerraums der EU beigetreten. Presseschau von budapost.de

Róbert Friss von der Tageszeitung Népszava erkennt ein erneutes allmähliches Abdriften Ungarns von Europa. Der linke Kolumnist räsoniert, dass der EU-Beitritt „die tausendjährige Sehnsucht der ungarischen Nationen sowie den Wunsch des Heiligen Stephanus, Ungarn institutionell in den Westen einzubinden, erfüllt hat“. Allerdings seien die Erwartungen an die EU-Mitgliedschaft zu hochtrabend gewesen und Ungarn habe sich zu früh in die Union eingereiht. Laut Friss bestand der wichtigste Grund für den Beitritt zur EU darin, Teil Europas und des europäischen Wertesystems zu werden. Der Kommentator wirft der ungarischen Regierung eine Verletzung dieser Normen vor. Durch eine autoritäre Regierungsführung und einen Schlingerkurs zwischen Ost und West werde Ungarn schrittweise Europa gegenüber entfremdet, beklagt Friss.

Die Bilanz der 15-jährigen Mitgliedschaft Ungarns falle positiv aus, notiert Zoltán Kottász in Magyar Nemzet. Obgleich das Land nicht so schnell aufgeholt habe, wie vor fünfzehn Jahren vermutet, sei Ungarn in der Union mit ihren Strukturfonds besser gestellt als außerhalb ihrer Grenzen, konstatiert der regierungsfreundliche Kommentator. Doch trotz alledem würden die westeuropäischen Politiker nach wie vor herablassend auf die östlichen Mitgliedsstaaten blicken. Als Beispiel verweist Kottász auf Äußerungen von Franz Timmermans, in denen der prominente Sozialdemokrat Ungarn für die Verteidigung der europäischen Grenzen vor illegalen Migranten kritisiert habe. Ungeachtet der Verachtung seitens einiger westeuropäischer Politiker und der kulturellen Unterschiede wolle Ungarn die europäische Solidarität aufrechterhalten, betont Kottász abschließend.

Für László Bogár von Magyar Hírlap hat das Wachstum Ungarns wenig mit der EU-Mitgliedschaft zu tun. Der als Globalisierungs- und Kapitalismuskritiker bekannte und der Regierung nahestehende Ökonom schreibt: Seit 1989 hätten internationale Multis ununterbrochen ihre hierzulande gemachten Gewinne aus Ungarn „abgesaugt“, ganz unabhängig davon, ob das Land der EU angehört habe oder nicht. Zwar seien riesige Mengen an EU-Mitteln nach Ungarn geflossen, doch habe der Löwenanteil dieser Einnahmen seien Weg auch wieder in die Taschen der multinationalen Kapitalisten gefunden, erinnert Bogár und macht unter Berufung auf BIP-Daten darauf aufmerksam, dass Ungarn seit 2010 wieder zu Westeuropa aufschließen würde. Dies sei eher auf die kluge Wirtschaftspolitik der Regierung als auf die EU-Mitgliedschaft zurückzuführen, behauptet der Wirtschaftsexperte.

(Via: budapost.de, Beitragsbild: hvg.hu)