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Viktor Orbán: Nach der Berliner Mauer soll auch die Brandmauer fallen

MTI - Ungarn Heute 2025.02.04.

In einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung brachte Ministerpräsident Viktor Orbán seinen Glauben an eine multipolare Weltordnung zum Ausdruck, kritisierte die Schwäche der EU und ihre doppelzüngige Politik und sagte, er sehe in Trump die Möglichkeit eines neuen geopolitischen Gleichgewichts. Er erwähnte auch, dass er nächste Woche Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD und Kanzlerkandidatin, zu Gast haben wird.

Der Premierminister sagte, Trumps Rückkehr in die Politik sei für Ungarn von Vorteil, da der Druck aus Brüssel und Washington nachgelassen habe. Gleichzeitig kritisierte er die EU für ihre wirtschafts- und sicherheitspolitischen Schwächen, forderte eine pragmatische Zusammenarbeit mit Russland und bezeichnete Sanktionen als unwirksam. Er betonte, Ungarn könne sich wirtschaftlich nicht nur auf Europa verlassen, sondern müsse auch die Beziehungen zu China und anderen aufstrebenden Mächten pflegen.

Auf die Rückkehr Trumps angesprochen, erklärte Viktor Orbán, die Welt habe sich durch den „Trump-Tornado“ in zehn Tagen so sehr verändert wie seit Jahren nicht mehr, und zwar zum Vorteil Ungarns.

Wir waren das schwarze Schaf des Westens. Nun zeigt sich: Was Trump tut und was wir in den letzten fünfzehn Jahren getan haben, ist die Zukunft“,

meinte er. Viktor Orbán hofft angesichts dieser Veränderungen auf eine engere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten, insbesondere in wirtschaftlichen Fragen. „Wir hoffen, dass die Amerikaner wieder mehr in uns investieren werden. Sie sind in letzter Zeit sogar hinter China zurückgeblieben“, sagte er. Der Regierungschef kritisierte auch die Haltung der Demokraten gegenüber Ungarn. „Die Demokraten haben uns gehasst“, sagte er. „Bei Themen wie Migration, Gender und dem Krieg in der Ukraine hatten wir entgegengesetzte Positionen“, führte er aus. „Sie unterstützten alle Organisationen und Medien in Ungarn, die gegen mich sind. Das hat Trump beendet“, erläuterte der Premierminister.

Viktor Orbán warnte in dem Interview, dass Europa nicht auf die Vereinigten Staaten zählen kann, wenn es kein attraktives Angebot zur Zusammenarbeit macht. „Uns erst einmal hinzusetzen und abzuwarten, ist keine Lösung. Wir müssen Ideen vorlegen. Europa ist zwar reich, aber auch schwach“, sagte er. Die „Friedensdividende“ der vergangenen Jahrzehnte sei mit der Rückkehr Trumps vorbei, fügte er hinzu. Er betonte, dass Ungarn eine Politik des Gleichgewichts zwischen dem Westen, China und Russland verfolge. Viktor Orbán meinte, dass die Vereinigten Staaten und China früher oder später zu einer Einigung kommen würden, während kleinere Nationen wie Ungarn flexibel bleiben müssten. „Ich wuchs im Kalten Krieg auf. Meine Erfahrung war, dass die beiden Großen immer einen Deal schließen“, sagte er. Mit Russland ist die Situation komplizierter, weil die EU die wirtschaftliche Zusammenarbeit blockiert. „Die amerikanische Position bleibt momentan unklar. Wir müssen noch etwas abwarten“, sagte der Ministerpräsident.

In dem Interview äußerte Viktor Orbán seine Überzeugung über den wirtschaftlichen und politischen Bedeutungsverlust des Westens. „Wirtschaftlich leben wir in einer Welt ohne westliche Vormacht. Die EU verliert ständig an Wettbewerbsfähigkeit. Sie hat keine Strategie und keine Führung. Was hier passiert, ist peinlich. Die Dynamik der Weltwirtschaft findet sich im Osten“, erklärte er.

Wenn Ungarn nur Wirtschaftsbeziehungen zu Europa pflegt, ist es verrückt“,

sagte Viktor Orbán. Er fügte hinzu, dass Europa „bescheidener“ sein sollte. „Die EU redet davon, ein globaler Akteur zu sein. Aber sie kann nicht einmal die Entwicklungen in der eigenen Nachbarschaft kontrollieren. Wir konnten weder den Krieg zwischen Russland und der Ukraine verhindern noch den Westbalkan integrieren“, teilte er mit. Eine starke EU-Außenpolitik sei nur mit einer starken Führung durch Deutschland und Frankreich möglich, die aber nicht vorhanden sei.

Viktor Orbán ist gegen Sanktionen gegen Russland, weil sie Ungarn wirtschaftlich hart treffen würden. „Wir haben in den letzten drei Jahren 19,5 Milliarden Euro verloren, weil wir den Handel einschränken mussten und die Energiepreise stiegen. Ungarn hat durch die Sanktionen mehr gelitten als Russland“, sagte er. Auf Nachfrage der Zeitung begründete Viktor Orbán das Votum für die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland damit, dass „wir die Zusicherung bekommen haben, dass sich Brüssel für die Wiederaufnahme des Gastransits durch die Ukraine einsetzt, den Öltransport weiter erlaubt“. Die Zusagen seien vage, „mehr als nichts“. „Wir unterstützen auch erneuerbare Energien und die Elektrifizierung. Aber wir brauchen Russland als Lieferanten“, stellte Viktor Orbán fest. „Wir haben in den letzten Jahren in Pipelines in fast alle Nachbarländer investiert. Zudem werden wir bald mehr Gas und Öl aus Rumänien, Aserbaidschan und der Türkei erhalten“, betonte der Ministerpräsident.

Viktor Orbán bezeichnete die westliche Strategie im Krieg in der Ukraine als fehlerhaft. Er hält einen ukrainischen Sieg nicht für realistisch, es sei denn, es kommt zu einem totalen Krieg, was seiner Meinung nach nicht in Frage kommt. Stattdessen sei ein Waffenstillstand erforderlich, den nur ein starker Führer wie Trump erreichen könne. Wenn Sie vor einem gordischen Knoten stehen, müssen Sie ihn durchschlagen. Es braucht einen starken Mann mit einem Schwert. Es geht nicht mehr darum, welche Ideen wir haben. Trump muss sich mit Russland und der Ukraine hinsetzen und ihnen sagen: «Leute, machen wir einen Waffenstillstand. Es ist der einzige Weg.»

Schwache Anführer verursachen Kriege, starke schaffen Frieden,

sagte Viktor Orbán. In dem Interview betonte der Regierungschef, dass er im Laufe der Jahre zuverlässige Vereinbarungen mit Putin getroffen habe. Während andere Länder schlechte Erfahrungen mit Russland gemacht hätten, sei Ungarn immer in der Lage gewesen, seine Interessen zu verteidigen. „Wir schlossen viele Vereinbarungen. Putin hat sein Wort immer gehalten. Die Erfahrung der letzten fünfzehn Jahre ist, dass Ungarn Russland vertrauen kann“, sagte er und fügte hinzu: „Aber ich bin nicht pro Russland, sondern pro Ungarn“. Laut Viktor Orbán sollte sich die EU mehr auf die Diplomatie konzentrieren, anstatt moralische Grundsätze über praktische Lösungen zu stellen.

Viktor Orbán zufolge stellt Brüssel für Ungarn eine größere Herausforderung dar als Moskau. „Es ist einfach, mit Russland eine rationale Vereinbarung zu treffen. Mit den Leuten in Brüssel ist das fast unmöglich“. Er kritisierte, dass sich die EU in die ungarische Innenpolitik einmische, insbesondere in den Bereichen Migration und Rechtsstaatlichkeit, und dass sie mit zweierlei Maß messe: Während Ungarn für den Grenzschutz bestraft werde, würden ähnliche Maßnahmen anderer Länder akzeptiert, betonte er.

Der ungarische Premierminister sieht die europäische Rechte auf dem Vormarsch. Die Fidesz hat sich von der Europäischen Volkspartei (EVP) distanziert, weil diese nach links gerückt ist. Sie stützt sich nun auf ein Bündnis mit anderen rechten Parteien, wie der französischen Rassemblement National und der Italienischen Liga. „Europa wird in ein paar Jahren anders aussehen als heute“, sagte er. Zur deutschen Partei Alternative für Deutschland (AfD) sagte Viktor Orbán, dass er deren Politik in vielen Bereichen befürworte und die isolationistische Politik der deutschen Innenpolitik ablehne.

Wir kennen in Ungarn keine Brandmauer.

Wenn eine Partei Wählerstimmen erhält, nehmen wir sie ernst. Das heißt nicht, dass wir mit ihr zusammenarbeiten. Aber wir setzen uns hin und diskutieren. Eine Brandmauer macht das politische Denken primitiv“, sagte er. „Wir haben keine Erfahrung mit der AfD und keine Beziehungen zu ihr. Ihr Programm klingt gut für Ungarn: Steuersenkungen, Redimensionierung des Green Deal, Rückkehr zur Nuklearenergie, strikte Migrationspolitik. Aber ich will mich nicht in deutsche Angelegenheiten einmischen“. Er fügte hinzu, dass Alice Weidel – die Ko-Vorsitzende der AfD und Kanzlerkandidatin – ihn angerufen und um ein Treffen gebeten habe. „Ich werde sie nächste Woche in Budapest empfangen. Die AfD könnte 20 Prozent der Stimmen erhalten. Wenn deren Chefin mit mir sprechen will: Warum sollte ich Nein sagen?“, sagte er.

Auf die Frage, ob das schnelle Auftauchen eines Gegners mit den wachsenden wirtschaftlichen Problemen zusammenhängen könnte, räumte Viktor Orbán ein: „Die Antwort ist Ja, das bedeutet es auch. Der Krieg und die Sanktionen schufen in den letzten drei Jahren eine sehr schwierige Situation mit hoher Teuerung, gestiegenen Energiepreisen und geringem Wachstum. Ich mag den Krieg aus vielen Gründen nicht, auch aus wirtschaftlichen“, sagte der Ministerpräsident.

„Die Staatsanwaltschaft leitet in vielen Verdachtsfällen keine Ermittlungen ein. Warum verweigert Ungarn als einziges EU-Land den Beitritt zur Europäischen Staatsanwaltschaft? Das würde mehr Vertrauen schaffen“, fragte die Neue Zürcher Zeitung. Viktor Orbán entgegnete, dies sei eine Frage der Souveränität. „Anders als in den meisten Ländern der Europäischen Union untersteht die Staatsanwaltschaft in Ungarn dem Parlament und nicht der Regierung. Das ist auch eine Frage der Souveränität.

Ich werde niemals ein Rechtssystem akzeptieren, in dem nichtungarische Behörden Verfahren gegen ungarische Staatsbürger führen.

Das ist unmöglich, auch gemäß der Verfassung. Wir haben unter Sowjetherrschaft gelebt und mussten die Hoheit über Strafverfahren abgeben. Für uns ist das eine Frage des Prinzips“, sagte er.

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Via MTI Beitragsbild: MTI/Miniszterelnöki Sajtóiroda/Fischer Zoltán