Die Egmont-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven wurde in den Oktobertagen von 1956 so oft gespielt, dass sie schnell zur „Hymne der Revolution“ wurde. Warum gerade sie? Berichten zufolge war die Egmont-Ouvertüre während der Kämpfe die einzige Schallplatte, die den Mitarbeitern des Rundfunks noch zur Verfügung stand.
In der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober installierten die Revolutionäre ein Mobilfunkauto beim Parlament und nahmen die Funkübertragung von dort über Telefonleitungen wieder auf. Als Musik stießen sie auf einige Schallplatten mit Beethovens Egmont-Ouvertüre.
Die Egmont-Ouvertüre wurde während der Revolution und des Unabhängigkeitskrieges von 1956 zum am häufigsten gespielten Musikstück und überholte sogar Ferenc Erkels „Bánk Bán“, die Nationalhymne oder das Lied der 1848-er Revolution, „Szózat“ (deutsch: Aufruf).
„Es war nicht möglich, eine Radiosendung zu schneiden und zu bearbeiten, deswegen gab es eher provisorische Berichte. Da im temporären Studio keine große Auswahl von Schallpatten verfügbar war, wurden sie häufig wiederholt. Vor allem Werke, meistens Opernausschnitte, die der damaligen Stimmung entsprachen.
Mit seinem Opus 84 bietet Beethoven die Fassung einer Schauspielmusik zu Goethes Trauerspiel „Egmont“. „In der Ouvertüre klingt zuerst die Gewalt politischer Unterdrückung an. Im anschließenden Allegro blitzt der Gedanke an Umsturz und Freiheit auf“, betont deutschlandfunk.de in seinem Artikel.
„Die Tragödie von 1956 riss Familien auseinander und verteilte sie auf die ganze Welt“
Die Handlung aus dem 16. Jahrhundert hat Goethe schon als junger Anwalt in Frankfurt ins Auge gefasst: den Konflikt nämlich zwischen dem flandrischen Grafen Egmont und Herzog Alba, dem skrupellosen Repräsentanten der spanischen Fremdherrschaft in den Niederlanden. Den Einsatz für die Unabhängigkeit seines Volkes muss der geradlinige Egmont am Ende mit dem Tod bezahlen.
Es ist fraglich, ob die Geschichte des Goethe-Stücks den Revolutionären bekannt war. Allerdings ist die Egmont-Ouvertüre seit 1956 ein wesentlicher Bestandteil der Gedenkfeiern von 1956.
Es wurden auch aus anderen Werken Auszüge gespielt. So das Lied „Meine Heimat, meine Heimat“ („Hazám, hazám…“) aus der Operette „Bánk Bán“, sowie die Verschwörungsszene aus „László Hunyadi“. Daneben ertönten auch andere klassische Musikstücke, die die Freiheit thematisierten: so die Melodien von Nabucco, Don Carlos oder Prinz Igor (Borodin).
(Beitragsbild: fortepan.hu – Gyula Nagy)