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Was bleibt von der polnisch-ungarischen Freundschaft? – Gespräch zwischen polnischen und ungarischen Politikern

Ungarn Heute 2022.06.15.

„Die vergangenen 100 Jahre werden nicht spurlos aus der Geschichte der polnisch-ungarischen Beziehungen verschwinden.“ Führende polnische Politiker sprachen mit Balázs Orbán und Zsolt Németh in Budapest: Schlüsselwort war das Verständnis, jedoch gab es auch genügend Gegensätze.

Der stellvertretende Vorsitzende des polnischen Parlaments, des Sejm, Ryszard Terlecki, der Präsident des Außenpolitischen Ausschusses Marek Kuchciński und der polnische EU-Abgeordnete Bogusław Sonik sprachen mit dem politischen Direktor des ungarischen Ministerpräsidenten Balázs Orbán und dem Präsidenten des Außenpolitischen Ausschusses Zsolt Németh.

Der Gedankenaustausch, der von Maciej Szymanowski, dem Direktor des Wacław-Felczak-Instituts für polnisch-ungarische Zusammenarbeit in Warschau, moderiert wurde, war ebenfalls von schönen Worten und subtiler Kritik geprägt.

„Das Überleben hängt hier vom Nationalismus im guten Sinne ab. Dies gelingt denjenigen, für die die nationalen Interessen an erster Stelle stehen. Wir werden nicht in allem einverstanden sein, aber mit Respekt und Verständnis für den anderen ist nichts verloren und die polnisch-ungarische Freundschaft ist besonders wichtig“, meinte Orbán.

Zsolt Németh erwähnte, dass für die Polen die 1980er Jahre die Zeit waren, in der sich viele Dinge verdichteten, die für uns Ungarn zum Beispiel 1956 bedeuten. Er fügte hinzu:

Die vergangenen 100 Jahre werden nicht spurlos aus der Geschichte der polnisch-ungarischen Beziehungen verschwinden,“

diese schwere Zeit ist auch ein Test für die polnisch-ungarische Freundschaft. Er erwähnte die erste Reise von Präsidentin Katalin Novák, die symbolisch nach Warschau führte und bedankte sich bei den Vorsitzenden des Sejm für diesen Gegenbesuch, der „uns hilft, einander besser zu verstehen“ – ein Thema, das beide Seiten immer wieder aufgriffen.

Der Präsident des ungarischen Außenpolitischen Ausschusses sagte, dass es überraschend klingen mag, aber Ungarns und Polens Ziel bezüglich der Ukraine ist identisch: dem Land sollen die Türen zur EU geöffnet werden und der Bewerberstatus verliehen werden, denn das Blut, die zehntausenden Opfer bevollmächtigen die Ukraine hierzu. Das konservative Europa, das Europa der Nationalstaaten, ist ein Europa souveräner Nationen und akzeptiert keine Interessentheorien, die Breschnew-Doktrin oder die Wiederherstellung der Sowjetunion, lehnt das „Abkommen“ von Jalta ab und unterstützt den Helsinki-Prozess, und mit den Polen gibt es keine andere Alternative als ein enges, freundschaftliches Bündnis. Bei den Mitteln bzw. dem Preis, den es sich lohnt zu zahlen, gibt es Streitigkeiten – fügte er hinzu – bei denen Budapest vorsichtig ist, da man sich selbst nicht mehr schaden dürfe als den Russen.

Schwächung Russlands

Marek Kuchciński, Vorsitzender des Sejm-Außenpolitischen Ausschusses, nannte es ein gemeinsames Ziel, die polnisch-ungarische Jahrtausendkooperation zu stärken und damit Mitteleuropa zu festigen.

Szymanowski erwähnte die Informationskriegsführung und die Manipulation in den Medien, um Polen und Ungarn gegeneinander auszuspielen, woraufhin Terlecki sagte, dass sowohl der russische Großangriff als auch der erfolgreiche Widerstand der Ukrainer sie überrascht hätten. Der stellvertretende Sejm-Vorsitzende fügte hinzu, dass die Angst vor einem globalen Konflikt groß war und ob Waffen und Panzer geschickt werden sollten. Aus Kiew kamen „dramatische Bitten und Forderungen” mit der Begründung, die Russen würden nicht stoppen, sie gehen weiter nach Polen, daher haben sie sich schließlich entschieden, der Ukraine entschlossen zu helfen, um Russland maximal zu schwächen.

Marek Kuchciński (Foto: Marek Kuchciński Facebook)

Terlecki fügte hinzu, dass die Russen ermutigt wurden, das zu tun, was sie tun, als Europa es versäumte, auf der Krim und im Donbass entschlossen zu handeln.

Gleichzeitig äußerte er sein Verständnis für den ungarisch-ukrainischen diplomatischen Streit: „Wir haben gesehen, dass die Ungarn eine andere Vorstellung haben. Wir haben den Wahlkonflikt und die Gründe für die ukrainisch-ungarischen Spannungen verstanden (…) Uns wurde gesagt, dass vier Schulen für uns geschlossen wurden, während 70 für Sie geschlossen wurden, und wir haben versucht, das zu verstehen“, jedoch darf man wegen den Erfahrungen aus der Geschichte nicht in „Nuancen“ denken, „nicht der Krieg gefährdet den Frieden, sondern Russland“ – stellte der stellvertretende Vorsitzende fest. Er wies darauf hin, dass die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter einem ernsten Propagandaangriff der Opposition steht, wonach sie Putins Verbündete seien, „weil wir die Beziehungen zu unseren ungarischen Freunden nicht abgebrochen haben“.

Die ungarischen Interessen

Bogusław Sonik, Europaabgeordneter der oppositionellen Bürgerplattform, sagte in seinem pro-europäischen Beitrag, dass unsere Länder den Traum von Generationen verwirklicht haben, indem sie sich von Brüssel oder der NATO unter Druck gesetzt fühlen, da wir das sagen können, weil wir auch Teil der Gemeinschaft sind. Gleichzeitig sagte er, dass die Verschlechterung der Beziehungen nicht auf Desinformation durch die Opposition zurückzuführen sei, sondern darauf, dass „die Ungarn ihren eigenen Standpunkt nicht klar dargelegt haben“, und dass „ungarische Interessen an erster Stelle stehen“ nicht ausreiche, um die polnische oder europäische Öffentlichkeit zu überzeugen, und dass die Äußerungen in Budapest als Mangel an Empathie mit den Ukrainern empfunden würden, ebenso wie die „zänkischen“ Bemerkungen gegen den ukrainischen Präsidenten.

Auf jeden Fall empfahl Szymanowski den Zuhörern Balázs Orbáns Buch „Das Einmaleins des ungarischen strategischen Denkens“, um das ungarische Interesse zu verstehen, und der Autor selbst erklärte, dass das Bewusstsein des nationalen Interesses eine ständige intellektuelle Arbeit ist, die leichter ist, wenn die Souveränität gegen einen direkt sichtbaren Unterdrücker behauptet werden muss – wie es für unser Land und Polen gegen die Nazis und die Sowjets der Fall war – als wenn das Ziel darin besteht, die Souveränität zu bewahren (nicht gegen solch leicht bemerkbare Herausforderungen). Er nannte es eine Tragödie, dass das friedliche eurasische Zusammenleben durch den von Russland begonnenen Krieg beendet ist. Die Zusammenarbeit in Mitteleuropa ist jedoch lebenswichtig, sonst wird sie von den großen geopolitischen Stürmen zerstört. Die ungarisch-polnische Freundschaft hat also nicht nur eine emotionale, sondern auch eine strategische Interessensgrundlage. Nach ungarischem strategischem Denken müssen wir den Krieg verurteilen, den Flüchtlingen in der Ukraine helfen und Europa vereinen.

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In seiner Antwort erinnerte Zsolt Németh daran, dass Ungarn für alle Sanktionen gestimmt habe, und es sei eine ernsthafte Errungenschaft, dass sie umgesetzt worden seien, aber es müsse eine Grenze gezogen werden, und hier gehe es um Energie: das Erdölembargo und dann die Frage des Gases, während Russland es auch an andere verkaufen kann. Der Präsident des ungarischen Ausschusses fügte hinzu, dass wahrscheinlich nur dem Iran solch ernste Sanktion auferlegt wurden. Er sagte auch, dass es wichtig sei, die gegenseitigen Positionen direkt kennenzulernen, da im Rahmen eines „Propagandakrieges“ sowohl in der ungarischen als auch in der polnischen Presse antipolnische und anti-ungarische Positionen aufgetaucht seien, und man sich daher nicht nur auf den Schutz der tausendjährigen Freundschaft verlassen kann, und es sei eine Übertreibung zu sagen, dass alles verloren sei.

Németh bekräftigte, dass das Ziel eine starke, EU-konforme Ukraine sei und die Verhinderung des Wiederaufbau der Sowjetunion – aber der ungarische Werkzeugkasten sei ein anderer als der polnische. Er hält es nicht für nötig, diesen zu bewerten, im Gegenteil, er sollte versuchen, es zu verstehen. Zsolt Németh fügte hinzu, dass die westliche Welt Stärke und Einigkeit zeigen müsse, denn „Russland wird unweigerlich hier bleiben“, aber es müsse in der Lage sein, keine Bedrohung mehr darzustellen.

Die Freien mit den Freien

Kuchciński bezeichnete Treffen wie das heutige als entscheidend, bei denen vermieden werden könne, dass die Parteien auf falsche Informationen und herausgegriffene Phrasen reagierten, auf Basis derer sie sich ein konstruiertes Bild von der Realität gemacht hätten und somit dieses Treffen einfach veranstaltet werden musste. Er betonte die Notwendigkeit einer starken polnisch-ungarischen Zusammenarbeit, die auch Mitteleuropa baut, „aber nur auf der Grundlage von Freien mit Freien, Gleichgestellte mit Gleichgestellten“ – mit Verweis auf die polnische Adelsrepublik und die Zeit des ungarischen Ständeordens fügte er hinzu, „als unsere Staaten auf diese Weise existierten, waren sie so stark, dass sie uns weder von Osten noch von Westen ungestraft angreifen konnten“.

Der Vorsitzende des polnischen Außenpolitischen Ausschusses betonte, dass man in Bezug auf die EU auch sehen müsse, was die ungarische und die polnische Politik sei: die Zusammenarbeit zwischen souveränen Nationalstaaten, obwohl „diejenigen, die heute die EU führen, wollen, dass sich unsere Wege trennen“, weil sie dadurch ihre Vision eines föderalen Superstaates einfacher verwirklichen können.

Terlecki fügte hinzu, dass sie selbst nicht glaubten, dass die EU ihre negative Haltung gegenüber der Ukraine ändern werde, die sich auch gegenüber Moldawien und Georgien ändern könnte. Das Wichtigste ist, Ost- und Mitteleuropa zu einer Einigung zu bringen, während die EU versucht, „Selbstmord“ zu begehen, indem sie die Energieversorgung umweltfreundlicher gestaltet oder über den Ausschluss von Ungarn und Polen fantasiert.

Szymanowski schloss die Veranstaltung mit den Worten Felczaks: Entweder die Mitteleuropäer lernen zu kooperieren, oder sie werden wieder Passagiere in einem Zug sein, bei dem sie keinen Einfluss darauf haben, wo dessen Haltestellen sein sollen.

Via: Mandiner ; Titelbild: Marek Kuchciński Facebook