
Die Plattensee-Region steht vor einer demografischen Krise, da seine Bevölkerung weit über dem Landesdurchschnitt altert.Weiterlesen
Die Regierung will Gemeinden, die den Bevölkerungszuzug eindämmen wollen, mit sogenannten Identitätsschutzmaßnahmen unterstützen, sagte der Minister für öffentliche Verwaltung und regionale Entwicklung am Dienstag in Veresegyháza.
Tibor Navracsics erklärte auf der Sitzung des Landesverbandes der Kommunen (TÖOSZ), dass es Ortschaften gibt, wo man das Gefühl hat in einer Schieflage zu sein, da die große Anzahl von Menschen, die zuziehen, das Dorf- oder Stadtbild, die traditionelle Struktur der Siedlung „wegfegen“.
Die Vorbereitungen für das Inkrafttreten der von seinem Ministerium eingeleiteten sogenannten Identitätsschutzmaßnahmen sind im Gange, berichtete der Ressortleiter in seinem Vortrag. Er betonte, dass es nicht darum gehe, dass sich eine Siedlung „von der Landkarte oder aus der Geschichte Ungarns ausradiert und abschottet“.
Es geht vielmehr darum, dass eine Gemeinde beschließen kann, Bedingungen für den Zuzug und den Erwerb von Grundstücken in ihrem Gebiet zu stellen,
weil sie nicht mehr über genügend Grundstücke verfügt und mit der kommunalen Infrastruktur nicht zurechtkommt, oder weil sie einfach ihre Traditionen bewahren will. Er fügte hinzu, dass eine Gemeinde, die dies nicht als Problem ansieht, in Zukunft keine Entscheidung in dieser Angelegenheit zu treffen braucht.
In Ungarn verlieren 2.000 von etwa 3.100 Gemeinden an Bevölkerung. Das Problem für diese Gemeinden besteht nicht darin, dass zu viele Menschen zuziehen, sondern darin, wie sie Menschen zurückgewinnen oder junge Menschen wieder ansiedeln können, um die „Vitalität“ der Siedlung wiederherzustellen, sagte der Ressortleiter. Er ergänzte, dass die übrigen 1.100 Gemeinden ein Bevölkerungswachstum verzeichnen. Selbst unter diesen gibt es etwa 600-700 Siedlungen, die das Bevölkerungswachstum begrüßen und es nicht als Problem betrachten.
Aber es gibt auch 300-400 – im Budapester Ballungsgebiet, in den Gebieten um den Velence-See, um den Plattensee und um einige Großstädte -, die das Wachstum als Bedrohung empfinden.
„Bisher war das Veränderungsverbot das einzige Instrument, das auf eine vorübergehende und ziemlich ungeschickte Weise einen gewissen Schutz bieten konnte“, fügte Tibor Navracsics hinzu.
Der Ressortleiter erläuterte, dass das Ministerium bisher fünf Optionen gefunden habe, die die Gemeinden nutzen könnten, wenn ihre lokalen Behörden die Notwendigkeit dazu sähen. Laut Tibor Navracsics könnten sie den Verkauf von Immobilien an Ortsfremde beschränken oder das Vorkaufsrecht ausweiten. Ein weiteres Instrument ist nach Ansicht des Ministers die Auferlegung von Bedingungen für den Kauf von Immobilien und die Anmeldung des Wohnsitzes oder die Auferlegung lokaler Steuerpflichten.
Tibor Navracsics erklärte, dass es in allen fünf Fällen sogenannte Ausnahmefälle gibt, d. h. Fälle, in denen jemand nicht vom Erwerb einer Immobilie ausgeschlossen werden kann. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn jemand in einer bestimmten Gemeinde geboren und aufgewachsen sei und später weggezogen sei, aber wieder zurückziehen wolle, oder wenn er einen öffentlichen Dienst ausübe, der ihn dazu veranlasse, sich in der Gemeinde niederzulassen: wenn er Polizist, Arzt, Soldat, Lehrer oder in einem anderen Bereich der öffentlichen Verwaltung tätig sei. Ein junger Mensch, der in der Gemeinde ein Hochschulstudium absolviert und deshalb dort ein Haus kaufen möchte, wäre ebenfalls nicht vom Erwerb einer Immobilie ausgeschlossen, fügte der Minister hinzu.
Die Regierung wird in naher Zukunft entscheiden, ob alle fünf dieser Elemente den lokalen Behörden zur Verfügung stehen sollen,
so Tibor Navracsics abschließend.
Ergänzend sei auf einige von Tibor Navracsics nicht erwähnten Situationen verwiesen. Aufgrund wesentlich niedrigeren Immobilienpreise als im Ballungsraum von Bratislava (Pozsony, Pressburg) lassen sich zahlreiche slowakische Staatsbürger in den nahegelegenen Dörfern auf ungarischem Staatsgebiet nieder.
Die neuen Hauseigentümer, des Ungarischen selten mächtig, pendeln berufsbedingt in ihr Herkunftsland und zeigen wenig Interesse auf eine Integration in den ungarischen Residenzgemeinden.
Im Osten des Landes ist die Situation nicht unähnlich. Vor dem lange erwarteten Schengen-Beitritt ihres Landes haben tausende Rumänen Immobilien in den strukturschwachen ostungarischen Ortschaften günstig erworben. Diese werden nicht selten überteuert weiterverkauft, nachdem sie immer noch günstiger sind als in den aufstrebenden Städten in Westrumänien (Temeswar, Arad, Großwardein, Sathmar etc.).
Im Ausland wenig bekannt ist die Sondersituation einer kleinen Gemeinde im Nordosten Ungarns, Bodrogkeresztúr, welche die Grabstätte eines Wunderrabbis beherbergt. Vor 25 Jahren übernahm eine chassidische Familie aus den Vereinigten Staaten die Pflege des auch zuvor vereinzelt von jüdischen ultraorthodoxen Pilgern besuchten Grabes. Dies führte zu einem rasanten Anstieg der Besucherzahl:
Zehntausende halten sich inzwischen gleichzeitig in der Ortschaft mit kaum tausend Einwohnern auf, deren Infrastruktur diesen Massenansturm und die damit verbundenen Begleiterscheinungen nicht bewältigen kann.
Über diesen Hype und dessen religionssoziologischen, wirtschaftlichen und politischen Hintergründe berichtete unlängst die Zeitschrift Demokrata.
Via MTI Beitragsbild: Navracsics Tibor Facebook