Viktor Orbán und seine Partei haben am 8. April seit 1990 das vierte Mal, mit einer Zweidrittelmehrheit das dritte Mal die Parlamentswahlen in Ungarn gewonnen. In der einschlägigen Berichterstattung ist dabei kein neues Element aufgetaucht, das die bisherige Folklore der Medienwelt bereichert hätte – schrieb Dr. János Perényi, der ungarische Botschafter in Österreich für die Zeitschrift „Die Presse“. Hierbei der ganze Artikel:
Österreichs Medien bieten schöne Beispiele für beliebtes Orbán-Bashing.
Afghanistan, Pakistan, Usbekistan, Tadschikistan – lauter exotische Länder. Als ich vor ein paar Jahren dann zum ersten Mal auf den Begriff „Orbánistan“ gestoßen bin, fiel mir das 1868 publizierte, berühmte Buch von Balázs Orbán über die Beschreibung Siebenbürgens ein. Ich wusste natürlich, dass „Orbánistan“ keine geografische Einheit bezeichnen will, sondern vielmehr das neueste Produkt der Medienfolklore ist.
Die Orbán-Folklore der Medien ist im Laufe der Jahre schön gediehen, vor allem in den österreichischen Medien blüht sie auf. Der ungarische Premierminister expandiert klarerweise aus Orbánistan heraus und möchte von dort Europa orbánisieren, nachdem er sich selbst ordentlich „putinisiert“ hat, weswegen er – eine weitere Perle der Medienfolklore – auch den Beinamen „Puszta-Putin” verdient hat.
Ein unerhörter Wahlsieg
Der in freien Wahlen errungene Wahlsieg mit Zweidrittelmehrheit einer konservativen Partei stellt für Medien und Politik des Mainstreams ein unerhörtes und unhaltbares Ereignis dar. Wenn ein solcher Sieg eintritt, kann es nur zwei Erklärungen dafür geben: Die Wähler sind Opfer einer schrecklichen Propagandamaschine geworden; oder die Wähler sind noch nicht reif, die segensreichen Prinzipien des Fortschritts sind noch nicht in ihre Köpfe eingedrungen.
Auch wird behauptet, Viktor Orbán sei ein Diktator – und nicht irgendeiner. Dafür präsentieren die österreichischen Medien ziemlich schöne Beispiele. Sie gehen sogar ziemlich erfinderisch vor: Orbán wird nicht nur als gewöhnlicher Diktator, sondern gleich als „undemokratischer Diktator“ (Wolfgang Fellner, „Österreich“) charakterisiert.
„Undemokratischer Diktator“?
Die Entzifferung dieses Begriffes bereitete mir ernsthaftes Kopfzerbrechen: Wenn der ungarische Premier ein „undemokratischer Diktator“ ist, wie kann da wohl ein demokratischer Diktator sein? Wir haben natürlich Hitler, der wurde demokratisch gewählt. Oder noch besser ist Stalin, der seinen Völkern die „demokratischste Verfassung der Welt“ geschenkt hat. Die „Diktator“-Thematik kann man noch weiter entfalten: „Rambo-Diktator“ (wieder der herausragende Fellner) oder „Gulasch-Erdoğan“ (auch nicht schlecht).
Die Werte des klassischen Liberalismus bilden einen wesentlichen Bestandteil des Demokratieverständnisses des ungarischen Premierministers. Aber es widerspiegeln sich darin auch die Erfahrungen der kommunistischen Diktatur: tiefes Misstrauen gegenüber den welterlösenden Ideologien, und die Ablehnung riskanter gesellschaftlicher Experimente („der neue Mensch”).
Woher kommt dieser Hass auf Viktor Orbán? Die Antwort ist einfach: Nach dem Wahlsieg im Jahr 2010 hat seine Partei, Fidesz, im neuen Parlament statt der damals noch gültigen kommunistischen eine neue Verfassung erlassen, die auf die christlichen Wurzeln Ungarns Bezug nimmt und die Ehe als Beziehung zwischen Mann und Frau beschreibt. Orbán wird auch deswegen gehasst, weil er 2015 als Einziger der europäischen Regierungschefs den Mut hatte, die Dublin-III-Regeln in seinem Land tatsächlich durchzusetzen. Dadurch verteidigte er nicht nur Ungarn, sondern auch Europa.
(Der Autor, Dr. János Perényi ist seit 1990 im diplomatischen Dienst Ungarns und seit Dezember 2014 ungarischer Botschafter in Österreich. Der Gastkommentar erschien in der Zeitschrift „Die Presse“, Print-Ausgabe, 20.04.2018)
(Via: diepresse.com, Beitragsbild: MTI )