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Das freie Rumänien von heute wurde in Temeswar erdacht, so der Staatspräsident

Ungarn Heute 2024.12.16.
Staatspräsident Tamás Sulyok bei der Gedenkveranstaltung des Temeswarer Aufstandes vor 35 Jahren

Laut László Tőkés, Präsident des Siebenbürgisch-Ungarischen Nationalrats (EMNT) und ehemaliger Pfarrer aus Temeswar, war der Temeswarer Aufstand, der vor 35 Jahren zum Sturz des kommunistischen Regimes in Rumänien führte, das Ergebnis der ungarisch-rumänischen Solidarität, und der Geist von Temeswar verpflichte auch heute noch, für die ungarisch-rumänische Versöhnung einzutreten.

László Tőkés erinnerte am Galaabend der dreitägigen Gedenkfeier zum 35. Jahrestag der Revolution vor der reformierten Gemeinde an den gemeinsamen Kampf der reformierten Ungarn und anderer religiöser und nationaler Gemeinschaften in Solidarität mit ihnen gegen die kommunistische Gewaltherrschaft.

Der ehemalige Pfarrer László Tőkés, Präsident des Ungarischen Nationalrats von Siebenbürgen (EMNT) (Foto: MTI/Noémi Bruzák)

„Ich danke denen, die damals in unsere Kirche kamen und uns beistanden, als ich sie rief. Als ich sie dann aus Liebe zu ihnen nach Hause schickte, gingen sie nicht weg (…) sie wichen nicht zurück, und so wurden wir zu Instrumenten der rettenden Gnade Gottes, um das Ceaușescu-Regime zu stürzen und die Freiheit zu gewinnen.

Auf diese Weise wurden die Temeswarer, die fast zehn Nationalitäten und ebenso vielen religiösen Bekenntnissen angehören, in einer beispielhaften Einheit der Vielfalt zum Treibmittel der Revolution und des Freiheitskampfes, der sich bald über das ganze Land ausbreitete“,

erinnerte László Tőkés.

Temeswar während der rumänischen Revolution 1989 (Foto: Fortepan / Dőri András)

Die Tatsache, dass sich 1989 in Temeswar (Temesvár, Timișoara) angesichts der trennenden Politik des Ceaușescu-Regimes und der berüchtigten Securitate – der kommunistischen politischen Polizei – Rumänen und Ungarn zusammenfanden und damit die seit langem bestehende Möglichkeit einer rumänisch-ungarischen nationalen Versöhnung schufen, sei von außerordentlicher Symbolkraft gewesen, betonte er.

Dieser „gehobene Zustand der Verständigung und der Suche nach Frieden“ wurde jedoch drei Monate später durch den „Schwarzen März“ von Marosvárashely, ein versuchtes Pogrom, das auf einem Securitate-Szenario beruhte, zunichte gemacht, erinnerte der EMNT-Präsident.

Fact

Am 19. und 20. März 1990, kam es in Marosvásárhely (Târgu Mureș) zu blutigen Zusammenstößen zwischen Rumänen und Ungarn, bei denen es mehrere Tote und Hunderte Verletzte gab. In der Stadt zerschlugen rumänische Demonstranten am Tag nach einem stillen und würdigen Gedenken an den 15. März ein zweisprachiges Schild in einer Apotheke, rissen Plakate in ungarischer Sprache herunter und erzeugten eine Pogromstimmung.

„Was wir einmal begonnen haben, müssen wir an der gleichen Stelle fortsetzen, zurück zum Anfang. Eine der größten Sünden des postkommunistischen Regimes, das den Namen von Ion Iliescu trägt, ist, dass es die Sache der rumänisch-ungarischen Versöhnung zum Stillstand gebracht hat.

Unsere Aufgabe hingegen ist es, einen Wandel in der rumänischen Minderheitenpolitik und eine historische Versöhnung zwischen unseren Nationen herbeizuführen“,

so László Tőkés.

Der EMNT-Präsident wies darauf hin, dass die ungarische Gemeinschaft in der gegenwärtigen Zeit des Vormarschs des extremen rumänischen Nationalismus für die Gemeinschaftsrechte der Ungarn und die Sache der rumänisch-ungarischen Versöhnung eintreten muss, ohne zurückzuschrecken und mit noch größerer Entschlossenheit als zuvor.

Der ehemalige rumänische Staatspräsident Emil Constantinescu spricht bei einer Galaveranstaltung zum 35. Jahrestag des Volksaufstandes von 1989 (Foto: MTI/Noémi Bruzák)

Emil Constantinescu, ehemaliger Staatspräsident Rumäniens (1996-2000), sagte, dass es die Kraft des Glaubens war, die die brutalsten Diktaturen der Menschheit, den Kommunismus, zu Fall gebracht hat. Dies geschah 1989 in Temeswar, wo das Ceaușescu-Regime vergeblich Panzer gegen die Aufständischen schickte, die sich mit László Tőkés solidarisierten.

Bürgermeister Dominik Fritz spricht anlässlich des 35. Jahrestages des Aufstandes von 1989 (Foto: MTI/Noémi Bruzák)

Dominik Fritz, der deutsche Bürgermeister von Temeswar, sagte, dass die Einwohner von Temeswar die Pflicht haben, die Eigenschaften von Temeswar, die zum Aufstand von 1989 in dieser Stadt beigetragen haben, zu bewahren und an zukünftige Generationen weiterzugeben. Der Bürgermeister nannte unter anderem die Freiheitsliebe und Offenheit, die die Einwohner der Stadt auszeichneten.

„Das heutige freie Rumänien wurde in Temeswar erdacht, László Tőkés hat sich unvergleichliche Verdienste um die Wiedererlangung der Freiheit in Rumänien und die Beseitigung der repressiven Diktatur erworben“, sagte Staatspräsident Tamás Sulyok anlässlich des 35. Jahrestages des Volksaufstandes von 1989 in Temeswar.

Er wies darauf hin, dass der Mut von László Tőkés und seine Freimütigkeit auch die Aufmerksamkeit anderer erregte, und die reformierte Kirche in der Innenstadt wurde zu einem Wallfahrtsort, zu einer Gemeinschaft nicht nur von Reformierten und nicht nur von Ungarn, die es sogar wagte, der kommunistischen Geheimpolizei, der berüchtigten Securitate, die Stirn zu bieten.

Der Staatspräsident betonte, dass es zwar einige schwarze Flecken in der gemeinsamen Geschichte Rumäniens und Ungarns gebe, es aber ein Fehler wäre, sich nur auf diese zu konzentrieren. Die beiden Völker lebten ihre Geschichte nicht nur Seite an Seite, sondern oft auch gemeinsam, mit dem herausragenden Moment der Einheit von Temeswar im Jahr 1989 und dem mutigen Auftreten von Rumänen und Ungarn.

Die Freiheit ist gemeinsam. Es gibt keine getrennte rumänische Freiheit und keine getrennte ungarische Freiheit“,

sagte Tamás Sulyok.

Gedenktafel in Temeswar (Foto: wikipedia)

Nach einer Kranzniederlegung an der Gedenktafel, die den symbolträchtigen Ort des Ausbruchs der Revolution markiert, fand in der Reformierten Kirche Temeswar-Stadtzentrum ein Festgottesdienst statt, bei dem László Tőkés die Predigt hielt. Anschließend wurde das Buch der Familie Tőkés mit dem Titel „Starke Burg ist (auch) die Familie“ vorgestellt.

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via MTI, mult-kor.hu, Beitragsbild: MTI/Bruzák Noémi