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150 Jahre Österreichisch-Ungarischer Ausgleich

Enikő Enzsöl 2017.03.01.

„Die den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich (1867) folgenden Jahrzehnten wurden das wunderschöne Zeitalter des ungarischen Aufstieges. […] Es würde sich lohnen, Einiges aus dieser Ära abgucken und ins Jahr 2017 mitzubringen” – sagte János Áder, Ungarns Staatspräsident, in seiner Rede am letzten Silvester. Bedeuteten die fröhlichen Friedensjahre vor dem ersten Weltkrieg für Ungarn wirklich „ein goldenes Zeitalter”? Wenn ja, was sind die Ergebnisse, auf die wir stolz sein können, und was sind die Stolpersteine, die wir anhand der Erfahrungen der Vergangenheit im 21. Jahrhundert vermeiden sollen? Das 150-Jahr-Jubiläum bietet die Gelegenheit zur historischen Überlegung.

 

Den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich ist schwer an einem bestimmten Tag zu feiern, da es dabei um einen sehr komplexen historischen Prozess und um den Anfang einer neuen Ära geht. In den ersten Monaten 1867 erbrachten die Verhandlungen zwischen dem österreichischen Kaiser, Franz Joseph I., und der von Ferenc Deák und Gyula Andrássy geführten ungarischen Delegation eine neue staatsrechtliche Situation in dem Habsburger Reich. Die Länder der ungarischen Krone bildeten keinen unabhängigen Staat, aber sie bekamen ihre innenpolitische Unabhängigkeit zurück. Darum ist es falsch, über Österreichisch-Ungarischen Ausgleich zu sprechen, da Ungarn sich nicht mit Österreich, sondern mit seinem eigenen Herrscher versöhnen sollte.

Um die Einheit der Monarchie zu sichern, blieben Außenpolitik und Militär sowie die Bestimmung deren Finanzierung in den Händen Franz Josephs I., ansonsten bildete Ungarn souverän eine Realunion mit Österreich, die unter den Namen Österreichisch-Ungarische Monarchie bekannt wurde. Die am 20. Februar 1867 berufene Graf Andrássy Regierung war für denjenigen ungarischen Reichstag verantwortlich, der am 20. März 1867 die vier Gesetzartikel über den österreichisch-ungarischen Ausgleich in Kraft treten ließ. Der symbolische Anfang der neuen Ära war die Krönung Franz Josephs I. am 8. Juni, wodurch er tatsächlich Ungarns König wurde.

Zum Wiedererlangen der Selbstbestimmung musste ein ernsthafter Preis bezahlt werden. Der in der Diplomatie oft nur als Österreich-Ungarn, sogar als Austria erwähnte Reich betrieb weltweit gemeinsame Botschaften, so konnte Ungarn seine Interessen im Ausland schwieriger, durch das k.u.k. Außenministerium durchsetzen. Daraus ergibt sich die Frage, ob Ungarn in den Verhandlungssälen in Trianon anders beurteilt worden wäre, wenn es sich in den früheren Jahrzehnten in der internationalen Politik repräsentiert?

Die Geschichte dieses Zeitalters ist auch aus innenpolitischer Perspektive aufschlussreich. Der ideologische Bruch des ungarischen Parteiensystems wurde nicht durch das westliche Modell geprägt, sondern durch die sogenannte staatsrechtliche Streitigkeit. Die regierenden Parteien haben den Ausgleich von „Siebenundsechzig” geschützt, während die Opposition, wie die Ungarn sagen, „an die Achtundvierzig nicht weggestrafft hat”. Die führenden Eliten haben oft nicht auf die wahren Lebensverhältnisse der Gesellschaft reflektiert, sondern sie haben rein theoretische Diskussionen geführt. Das System hatte inne, dass die Opposition nicht zur Macht hätte kommen dürfen, da es nicht nur Regierungswechsel, sondern auch eine Wende verursacht hätte. Die Opposition hat zweimal – im Jahr 1905 und 1906 – die Wahlen gewonnen, was nicht zur Wende, aber zur innenpolitischen Krise geführt hat.

Die traditionelle Gesellschaft der Zeit des Dualismus unterscheidet sich im Wesentlichen von der heutigen Massengesellschaft. In der Zeit des Dualismus lebte die absolute Mehrheit der Bevölkerung in allmählich rückläufigem Anteil von Landwirtschaft. Dank der früher nie beobachteten wirtschaftlichen Aufschwung formte sich in den Städten und in Budapest eine engere bürgerliche und eine breitere industrielle Arbeiter-Schicht, trotzdem ist die Gesellschaft im Wesentlichen konservativ, hierarchisch und elitär geblieben. Aus heutiger Sicht scheint das größte Problem dieses Zeitalters das eingeschränkte Wahlrecht zu sein, aber die ungelöste Nationalitätenfrage war schmerzender: wie konnte es passieren, dass die Ungarn, die die Deutschen und die Juden mehr oder weniger erfolgreich integrieren konnten, nicht fähig waren, sich die mit denen seit Jahrhunderten zusammenlebenden slawisch- und rumänischsprachigen Nationalitäten verbünden?

Worauf wir aus der Zeit des Österreich-Ungarischen Ausgleichs stolz sein können ist nicht in den politischen, juristischen und gesellschaftlichen Strukturen zu suchen, sondern in den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfolgen. Das goldene Zeitalter des ungarischen Kapitalismus, die Gründungsfieber der Werke und Banken ist trotz den Problemen eine Erfolgsgeschichte, weil es innerhalb von einigen Jahrzehnten ein Staat aus der Peripherie in den europäischen Kreislauf erhoben hat. Damals wurde die international bewunderte Budapest die Hauptstadt Ungarns, damals wurden die prägenden Gebäuden und Institutionen – Schulen, Museen und Universitäten – unserer Städte gebaut. Die literarischen, künstlerischen und musikalischen Spitzenleistungen der Zeit konnten bis in der Nacht aufgelistet werden, sowie die Leistungen des ungarischen Sports und der ungarischen Wissenschaft. Wenn uns diese Sachen über das goldene Zeitalter als Erstes einfallen, sind wir auf dem guten Wege.

via Friends of Hungary Magazin, Fotos: Wikipedia