Nach der Trauerfeier für Helmut Kohl am Samstag in Straßburg sprach der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán in einem Interview darüber, dass der verstorbene Altkanzler das Europa der Nationen repräsentiert habe. Über die Frage, ob Orbáns Vision von einem Europa der Nationalstaaten mit Kohls Vermächtnis übereinstimme, streiten in Ungarn ein linker und ein regierungsnaher Kolumnist. Ungarische Presseschau von budapost.de:
Róbert Friss von Népszava wirft Ministerpräsident Viktor Orbán vor, er beleidige das Andenken Helmut Kohls mit der Behauptung, der ehemalige deutsche Kanzler habe eine Europäische Union der Nationalstaaten schaffen wollen. Es sei geschmacklos, dass Orbán die Gelegenheit nutze, um zu suggerieren, seine Vision starker Nationalstaaten ähnele der Kohl’schen von einem geeinten und durch Respekt gegenüber Menschenrechten und Demokratie gekennzeichneten Europa, notiert Friss.
László Petrin pflichtet dem ungarischen Ministerpräsidenten bei: Kanzler Kohl habe in der Tat eine Europäische Union verfochten, die den Interessen der Nationalstaaten diene – sie aber nicht ersetze. Der Autor der regierungsnahen Zeitung Magyar Idők hält es für eigenartig, dass sich linksorientierte Politiker und Intellektuelle, die häufig Kohls christlich-konservative Ansichten kritisiert und ihm im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands Nationalismus vorgeworfen hätten, nunmehr sein Vermächtnis zu eigen machen wollten. Petrin geht davon aus, dass der wahre ideologische Erbe Helmut Kohls Ministerpräsident Viktor Orbán sei.
via budapost.de, Foto: facebook.com/orbanviktor/