Ungarns Justizminister, László Trócsányi ist der Spitzenkandidat der regierenden Fidesz bei den EU-Wahlen. Ministerpräsident Viktor Orbán hat schon früher angekündigt: er will Trócsányi auch als nächster ungarischer EU-Kommissar in Brüssel sehen. In einem Welt-Interview betonte der Justizminister: „Ich muss in der Kommission – als Ungar – für die Konsensfindung arbeiten.“
Trócsányi hat in dem Interview die Vorwürfe der EU zurückgewiesen, in Ungarn sei der Rechtsstaat gefährdet. Er meint: die EU-Kommission hält sich nicht an den Geist der EU-Verträge. Laut ihm spielt die eher eine politische Rolle, statt sich als „Hüterin der Verträge“ politisch neutral zu gebärden. Er hofft, dass es nach den EP-Wahlen mehr „ideologische Neutralität“ in Brüssel geben wird.
Auf die Frage, wie wolle er als EU-Kommissar über die Einhaltung europäischen Rechts wachen, wenn er Justizminister eines Landes ist, in dem nach Auffassung der EU der Rechtsstaat gefährdet sei, sagte Trócsányi:
Das ist ein politischer Standpunkt des Europäischen Parlamentes, aber nicht der ganzen Union. Rechtliche Fragen sollten nicht politisiert werden. Ich finde es immer bedenklich, wenn Politiker über Rechtsstaatlichkeit reden.
Er fügte hinzu: über Rechtsstaatlichkeit sollten Juristen auf fachlicher Basis und nicht Politiker urteilen.
In Bezug auf das neue Gerichtssystem Ungarns (Aufstellung von Verwaltungsgerichten) sagte Trócsányi:
„Es gibt in der Mehrheit der Mitgliedstaaten separate, unabhängige Verwaltungsgerichte. Wir wollen das Niveau der Rechtsprechung heben. (…) Rechtliche Traditionen sind wichtig, deswegen haben wir das österreichisch-deutsche Modell als Maßstab genommen.“
Welt-Korrespondent fragte den Minister über den Generalstaatsanwalt Ungarns, der „aus der Regierungspartei kommt und als Freund des Ministerpräsidenten gilt“. Auf die Kritik sagte Trócsányi:
Die Politik ist bei solchen Ernennungen immer präsent. Ein Problem gibt es nur, wenn jemand seinen Amtseid ablegt, aber nicht in dem Geiste des Prinzips der Unabhängigkeit arbeitet.
Laut Trócsányi gibt es keine politische Protektion in den Korruptions-Fällen. Er erinnerte daran, dass gerade ein Verfahren gegen einen Abgeordneten der Regierungspartei läuft.
In Bezug auf den „Korruptionsverdacht beim Elios“, an dem der Schwiegersohn des Ministerpräsidenten beteiligt war, sagte der Minister:
Auf jede Empfehlung von Olaf hat die Generalanwaltschaft gründlich ermittelt. Man kann politische Anschuldigungen erheben, aber wenn die Staatsanwaltschaft feststellt, dass keine Straftat erfolgte, dann ist die Sache erledigt. Bei Elios konnte kein Hinweis auf eine Straftat festgestellt werden.
Korruptionsverdacht beim Elios: Opposition fordert die Regierung auf, sich der Europäischen Staatsanwaltschaft anzuschließen
Auf die Frage, warum sich das Land der neuen EU-Staatsanwaltschaft nicht beitreten will, sagte Trócsányi:
„Problem ist die schleichende Ausweitung der Kompetenzen der Union zulasten der Nationalstaaten. Auch andere Länder wollen nicht mitmachen – Schweden, Dänemark Irland und Polen, obwohl alle nur auf uns zeigen.“
(Via: welt.de, Beitragsbild: MTI)