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EP: Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und Polen habe sich verschlechtert

Ungarn Heute 2020.01.17.

Die Straßburger Abgeordneten stellten gestern in einer Entschließung fest, „dass sich die Lage sowohl in Polen als auch in Ungarn seit der Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 7 Absatz 1 des EU-Vertrages verschlechtert hat“. „Die Anhörungen wurden nicht regelmäßig und strukturiert organisiert, und es fehlten konkrete Empfehlungen“, heißt es in der – rechtlich nicht bindenden – Resolution. Diese wurde mit einer breiten Mehrheit von 446 Stimmen bei 178 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen angenommen. 

In seiner unverbindlichen Entschließung brachte das EP seine Besorgnis über die Unabhängigkeit der Justiz sowie die Fragen der Meinungsfreiheit, der Korruption, der Minderheitenrechte und der Lage von Einwanderern und Asylbewerbern in Ungarn zum Ausdruck. Der Entschließung zufolge hat sich die Rechtsstaatlichkeit in beiden Ländern „verschlechtert“.

Die Europaabgeordneten haben den Europäischen Rat gebeten, den beiden Ländern Empfehlungen, einschließlich Fristen, vorzulegen, um die Einhaltung des EU-Rechts zu gewährleisten. Sie stellten fest, dass „das Versäumnis des Rates, Artikel 7 wirksam anzuwenden, weiterhin die Integrität gemeinsamer europäischer Werte, das gegenseitige Vertrauen und die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union insgesamt untergräbt“.

Das EP erwartet von der Europäischen Kommission, dass sie alle erdenklichen Mittel einsetzt, einschließlich Vertragsverletzungsverfahren oder befristeter Maßnahmen vor dem Europäischen Gerichtshof, um zu verhindern, dass Ungarn und Polen die Grundwerte des Blocks weiter verletzen.

In der Entschließung heißt es, dass ein Mechanismus zum Schutz der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in den Mitgliedstaaten erforderlich ist, der jährliche Verfahren zur Bewertung der Mitgliedstaaten nach einheitlichen Kriterien umfasst.

Auf der Grundlage eines Berichts der Europaabgeordneten Judith Sargentini hat das EP im September 2018 eine Entschließung angenommen, in der vorgeschlagen wird, dass der Europäische Rat Ungarns Verstoß gegen die Grundwerte der EU feststellt. Der Sargentini-Bericht konzentrierte sich auf Ungarns Verfassungs- und Wahlsystem, die Unabhängigkeit der Justiz, Korruption sowie die Meinungs- und Forschungsfreiheit.

Der Rat muss Ungarn und Polen klare Empfehlungen geben und die nächsten Termine für das Verfahren nach Artikel 7 ansetzen

sagte die Berichterstatterin des Europäischen Parlaments für die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, Gwendoline Delbos-Corfield (Grüne). Die EU-Kommission und das Parlament hätten gehandelt – nun müssten die EU-Regierungen reagieren.

Fact

Gemäß Artikel 7 des EU-Vertrags kann der Rat nach diesen Aufforderungen feststellen, dass in den betreffenden Ländern die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der EU-Werte besteht. Bevor dies geschieht, hören die EU-Minister die Ansichten der nationalen Behörden an. Die EU-Minister haben im September und im Dezember 2019 zwei Anhörungen mit der ungarischen Regierung abgehalten. Die Abgeordneten haben sich wiederholt darüber beschwert, dass sie nicht formell in diese Gespräche einbezogen wurden.


Fidesz: „Migrationsfördernde Kräfte stimmten gegen Ungarn“

Der Beschluss des Europäischen Parlaments sei ein weiterer Weg für die migrationsfördernden Kräfte, Ungarn unter Druck zu setzen – sagte Balázs Hidvéghi, MdEP von Fidesz, und bestand darauf, dies in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen mit dem US-Finanzier George Soros verbündeten Organisationen getan zu haben. Nach der Plenarsitzung sprach er in Straßburg vor ungarischen Journalisten darüber, dass die Frage der Rechtsstaatlichkeit eine „Titelgeschichte“ für einen politischen Streit zwischen migrationsfördernden Kräften und Ungarn gewesen sei.

Opposition: „Ungarische Regierung tritt die Grundregeln der Demokratie mit Füssen“

Klára Dobrev, MdEP der oppositionellen Demokratischen Koalition (DK), sagte in einer Online-Videobotschaft: das EP habe Ungarn verurteilt, weil die Regierung die Grundregeln der Demokratie, die Interessen der EU und des ungarischen Volkes mit Füßen tritt.

Anna Donáth, die Europaabgeordnete der Momentum-Bewegung, betonte, dass der Bericht mit den Beiträgen von Verfassungsexperten verschiedener unabhängiger Institutionen unter der Schirmherrschaft des Europarates verfasst worden war.

Auf der Grundlage objektiver Daten kann gezeigt werden, dass die demokratische Situation in Ungarn nicht in Ordnung ist

sagte sie in einer Videobotschaft.

István Ujhelyi, MdEP der Sozialistischen Partei, schrieb in einer Erklärung, es sei jetzt höchste Zeit, dass der Europäische Rat die notwendigen Schlussfolgerungen zieht und denen entsprechend handelt.

Márton Gyöngyösi, MdEP der Partei Jobbik sagte, dass der Fidesz in Europa gescheitert sei. Er fügte hinzu, dass nicht das ungarische Volk bestraft werden sollte, sondern „die Fidesz-Regierung und ihre diebischen Freunde“.