Der Beschluss der Regierung, Kompensationszahlungen für Gefängnisinsassen einstweilen auszusetzen, wird nach Ansicht eines liberalen Kommentators die Rechtsstaatlichkeit weiter schwächen. Begrüßt wird die Entscheidung dagegen von einem regierungsfreundlichen Kolumnisten, widerspiegele sie doch die Meinung der meisten Ungarn. Presseschau von budapost.de.
Gemäß Kabinettsbeschluss werden Entschädigungszahlungen für Häftlinge ausgesetzt, die sich über miese Haftbedingungen beschwert hatten. Gerichte hatten auf Grundlage eines 2015 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erlassenen Urteils in verschiedenen Fällen Entschädigungen bewilligt. Hintergrund waren Klagen über in ungarischen Gefängnissen herrschende nicht hinnehmbare Haftbedingungen sowie über akute Überbelegung. Justizstaatssekretär Pál Völner kritisierte das Straßburger Gericht, weil es Standards festgelegt habe, „die über den Lebensbedingungen vieler ehrlicher ungarischer Bürger liegen“. Er kündigte an, die Aussetzung werde bis zur Verabschiedung eines neuen Gesetztes erfolgen. Danach würden alle gewährten Entschädigungssummen zunächst zur Entschädigung von Opfern der seitens der Kläger begangenen Straftaten verwendet werden müssen. Weitere Gelder flössen in die Tilgung von gegenüber dem Staat und öffentlichen Versorgungsunternehmen angehäuften Schulden der Insassen.
Für János Halász ist der Regierungsbeschluss ein weiterer kräftiger Schlag gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz. Auf Index interpretiert der liberale Kommentator die Kabinettsentscheidung als offene Kampfansage an das Recht und Gerichtsurteile. Dessen ungeachtet könnte sich die „demagogische“ Maßnahme der Regierung politisch auszahlen. Immerhin könnte die Regierung Wähler mobilisieren, indem sie einen weiteren Feind erschaffe, den man hassen könne, argwöhnt Halász.
Pál Dippold von Magyar Hírlap wiederum begrüßt den Beschluss, die Entschädigung von unter unzulässigen Bedingungen festgehaltenen Häftlingen auszusetzen. Diese Maßnahme stehe im Einklang mit dem Rechtsempfinden der meisten Ungarn. Dippold glaubt, dass sich eine Mehrheit der Ungarn darüber empöre, wie „linken Anwälte und Kriminelle“ europäische Menschenrechtsvorschriften dazu missbrauchen würden, sich ihre Taschen mit riesigen Geldbeträgen zu füllen. Der Autor stimmt Ministerpräsident Viktor Orbán zu, wonach juristischen Schritte gegen Haftbedingungen auf Rechtsmissbrauch hinausliefen. Entsprechende Verfahren könnten mit Korruption verglichen werden, denn sie zielten darauf ab, öffentliche Gelder zur persönlichen Bereicherung abzuschöpfen.
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