Ungarns letzter reformkommunistischer Ministerpräsident, Miklós Németh wirft sämtlichen nach 1990 amtierenden Regierungschefs vor, grundlegende Wirtschafts- und Verfassungsreformen versäumt zu haben.
Im ersten Teil eines umfangreichen Interviews mit dem Nachrichtenportal 24.hu beschreibt Miklós Németh, wie sich seine bäuerlich geprägten Eltern und Großeltern beim Nachlassen des politischen sowie polizeilichen Drucks in den 1960er Jahren von Feinden und Opfern des kommunistischen Regimes zu dessen passiven Unterstützern entwickelt hätten. Vor diesem Hintergrund sei er selbst der Kommunistischen Partei beigetreten und einer ihrer Spitzenfunktionäre geworden. Später sei er zum Ministerpräsidenten berufen worden und habe den Übergang zur Demokratie verantwortet.
Németh erinnert daran, dass KP-Chef János Kádár 1986 sein reformorientiertes sowjetisches Pendant, Michail Gorbatschow, als „den Totengräber des Sozialismus“ bezeichnet habe. 1990 sei er aus dem Amt geschieden und habe dem ersten demokratisch gewählten Ministerpräsidenten József Antall Platz gemacht. Dabei habe er ihm ein auf drei Jahre angelegtes Konjunkturprogramm sowie einen Verfassungsentwurf für das neue Parlament zur Beratung übergeben. In diesem Zusammenhang wirft Németh Antall sowie sämtlichen seiner Nachfolger vor, diese Dokumente übergangen zu haben. Die aktuellen Schwierigkeiten und Kontroversen seien das direkte Ergebnis ihrer Nachlässigkeit, ist Németh überzeugt.
(via Budapost.de, Beitragsbild: MTI/Tibor Rosta)