Ein konservativer Kommentator kritisiert die von der Regierung vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes mit scharfen Worten. Seine Befürchtung: Künftig könnte es einfacher werden, öffentliche Gelder an regierungsnahe Stiftungen weiterzureichen. Ein regierungsnaher Kolumnist dagegen begrüßt das Vorhaben, denn dadurch würden christliche sowie traditionelle Familien- und Geschlechterwerte verteidigt.
Die am Dienstag von Justizministerin Judit Varga eingebrachten Vorschläge für eine Änderung des ungarischen Grundgesetzes präzisieren den Zeitraum eines Notstands, definieren die Verwendung öffentlicher Gelder neu und legen Familienkriterien fest. Demnach wäre vorgeschrieben, dass Mütter nur Frauen und Väter nur Männer sein dürfen. Darüber hinaus soll das biologische Geschlecht von Kindern geschützt werden. Kinder haben künftig das Recht auf Bildung – und zwar auf der Grundlage verfassungsmäßiger und christlicher Werte. Nach Angaben der Regierung sollen diese Änderungen sowohl die Familien als auch die Kinder schützen. In einem separaten Gesetzentwurf, den der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Volkspartei (KDNP), Zsolt Semjén, vorgelegt hat, würde die Regierung kleinen Parteien eine Beteiligung an Wahlen – und damit die Beanspruchung öffentlicher Wahlkampfbeihilfen – erschweren
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (TASZ) kritisierte beide Vorschläge. Die NGO unterstellt der Regierung, dass sie die Weiterleitung öffentlicher Gelder über regierungsnahe Stiftungen an ihr nahestehende Kreise erleichtern wolle. Zudem solle es der Opposition schwerer gemacht werden, bei den nächsten Parlamentswahlen mit separaten Listen anzutreten.
In einem Beitrag für Magyar Hang äußert sich István Dévényi empört darüber, dass die Regierung den Coronavirus-Notstand nutze, um die Weiterleitung öffentlicher Gelder an ihre Verbündeten zu erleichtern. Der konservative Kommentator kritisiert darüber hinaus, dass die Regierung die konkreten Einzelheiten des bevorstehenden Ausnahmezustands erst Minuten vor Mitternacht veröffentlicht habe. Damit sei es für viele Ungarn äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich gewesen, sich auf die unmittelbar in Kraft tretenden neuen Regeln vorzubereiten. Befände sich die Regierung nebst ihrem intellektuellen Umfeld in der Opposition, würde sie lautstark dagegen protestieren, den Coronavirus-Notstand für eine Verfassungsnovelle zu missbrauchen, argwöhnt Dévényi.
Ottó Gajdics von Magyar Nemzet begrüßt dagegen das Bemühen der Regierung um die Verteidigung der Institution Ehe. Der regierungsfreundliche Kommentator vertritt die Auffassung, dass die den vorgeschlagenen Änderungen kritisch gegenüberstehenden Liberalen Werte der Globalisierung und der Multikulturalität fördern und die nationale Identität sowie die biologische Identität der Geschlechter abschaffen wollten. Gajdics versteigt sich gar zu der Behauptung, dass sich die Liberalen mehr um die Rechte von Tieren als um diejenigen weißer heterosexueller Männer scheren würden. Gajdics weist auch die Behauptung der Opposition zurück, die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen seien ein Bestandteil der Notstandspolitik des Kabinetts.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: Tibor Illyés/MTI)