Während die Vorwahlen der Opposition zur Bestimmung des Herausforderers von Ministerpräsident Viktor Orbán begonnen haben, fragen sich Wochenzeitschriften und Wochenendausgaben von Tageszeitungen, ob die Opposition die Verfassung wohl auch ohne die erforderliche Zweidrittelmehrheit ändern würde und dies auch könnte. Presseschau von budapost.de.
In einem Beitrag für Magyar Demokrata geht Balázs Szolomayer davon aus, dass der Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony die Vorwahl der Opposition gewinnen werde. Der Analyst des regierungsnahen Zentrums für Grundrechte äußert die Vermutung, dass Karácsony von allen Oppositionsparteien als guter Kompromiss akzeptiert werden könne, da er weder über ein starkes Netzwerk noch über ein institutionelles Hinterland verfüge. Szolomayer glaubt, dass man Karácsony als Newcomer anpreisen werde, um ihn von den vergangenen sozialistisch-liberalen Regierungen abzugrenzen. Die vom Fidesz initiierte Plakatkampagne „Stoppt Gyurcsány! Stoppt Karácsony!“ wolle hingegen die Wähler an Karácsonys Engagement in der linken Politik seit den frühen 2000er Jahren erinnern, behauptet Szolomayer.
In Magyar Nemzet vergleicht Zoltán Felföldi das Programm der Oppositionskandidaten mit der kommunistischen Ideologie der 1950er Jahre unter der Rákosi-Diktatur. Der regierungsnahe Kommentator erinnert daran, dass die Oppositionskandidaten in der Vorwahldebatte versucht hätten, sich gegenseitig mit dem Versprechen zu überbieten, sie würden die gegenwärtigen Regierungspolitiker unter anderem mit Gefängnis und dem Einfrieren ihres Vermögens bestrafen. Noch empörender findet Felföldi, dass die Kandidatin der Demokratischen Koalition, Klára Dobrev, erklärt habe, sie würde die Verfassung außer Kraft setzen – und zwar auch ohne im Besitz einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit zu sein. Dieses Versprechen könnte einem Aufruf zum gewaltsamen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung gleichkommen, vermerkt Felföldi und weist darauf hin, dass dies nach ungarischem Strafrecht als Verbrechen eingestuft werden könnte. Und so sei es möglicherweise die Opposition, die im Gefängnis landen werde.
Péter Németh von Népszava wirft der Regierung vor, sie verstoße gegen das in der Verfassung verankerte Verbot, nach dem exklusiven Besitz der Macht zu streben. Der linke Journalist pflichtet den Kandidaten der Opposition bei, dass sie ohne eine Verfassungsänderung nicht in der Lage wäre, das Land effektiv zu regieren, da sämtliche Schlüsselpositionen von regierungsnahen Personen besetzt seien, die nach dem vom Fidesz ausgearbeiteten ungarischen Grundgesetz vor Ablauf ihrer Amtszeit nicht ausgetauscht werden könnten. Viele in der Linken würden vor einer Überarbeitung des Verfassungssystems angesichts der fehlenden Zweidrittelmehrheit warnen. Doch ist es nach Ansicht Némeths wohlfeil, in einem Land, das nicht demokratisch sei, an demokratischen Normen festzuhalten. Abschließend schlägt der Autor vor, dass die Opposition unmittelbar nach Übernahme der Regierungsgeschäfte im Sinne der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung zu außerordentlichen Maßnahmen greifen und die Verfassung außer Kraft setzen müsse, auch wenn sie nur über eine einfache Mehrheit im Parlament verfügen sollte.