Ein konservativer Jurist vertritt die Auffassung, dass beide Seiten in der Auseinandersetzung um das weithin umstrittene Urteil des polnischen Verfassungsgerichts über den Konflikt zwischen nationalem und europäischem Recht über stichhaltige Argumente verfügen, da die Bestimmungen des Grundlagenvertrags der Europäischen Union nicht eindeutig seien. Presseschau von budapost.de.
In Hungarian Conservative, einer zweimonatlich auf Englisch erscheinenden Zeitschrift, weist der Verfassungsrechtler Soma Hegedős die in der EU vorherrschende Interpretation zurück, der zufolge das polnische Verfassungsgericht den Vorrang von nationalem vor europäischem Recht erklärt habe (siehe BudaPost vom 29. Oktober).
Seiner Ansicht nach hat das Gericht lediglich festgestellt, dass bestimmte Klauseln des Lissabon-Vertrages in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar seien. Dasselbe polnische Gericht habe bereits 2005 und 2010 unter früheren parlamentarischen Mehrheiten entschieden, dass internationale Vereinbarungen – einschließlich der Übertragung von Befugnissen auf die Europäische Union – nicht gegen die Unverletzlichkeit der Verfassung verstoßen könnten.
Das jüngste Urteil sei von der Präsidentin der Europäischen Kommission scharf kritisiert worden, die „Maßnahmen“ angedroht habe. Zudem habe der Europäische Gerichtshof als Konsequenz eine Geldstrafe von einer Million Euro pro Tag gegen Polen verhängt. Beide hätten nämlich den Vertrag von Lissabon dahingehend interpretiert, dass er den Vorrang des europäischen vor dem nationalen Recht deklariere. Und tatsächlich lasse Lissabon den Widerspruch zwischen nationaler Souveränität und einer „immer enger gestalteten Union“ ungelöst, konstatiert Hegedős. Folglich würden beide „um die Zukunft Europas streitende“ Seiten das Gefühl haben, sich zur Untermauerung ihrer Position mit Recht auf den Vertrag berufen zu können.
(Via: Budapost, Titelbild: Pixabay)