Die westungarische Stadt Győr steht dieses Jahr vom 13. bis 19. Juni wieder ganz im Zeichen des Tanzes:
Mit der Produktion des Győrer Balletts „Róbert Hrutka-Jamie Winchester“ startet diese Woche das 17. Ungarische Tanzfestival in Győr, zu dem auch das 7. Kindertanzfestival und in diesem Jahr zum ersten Mal das Győri Ballett MiniFestival gehören. Das kulturinteressierte Publikum kann das vielfältige Programm an 4 Hauptveranstaltungsorten in der Stadt genießen. Nach der Eröffnungsproduktion am 13. Juni werden viele bekannte Ensembles der Ungarischen Tanzszene hier auftreten. Man kann sich u.a. die Produktion der Frenák Pál-Gesellschaft, des Tanztheaters Budapest, die Vorstellung des Duna Art Ensembles, auch die der Gesellschaft Inversedance – Fodor Zoltán, die Tanzvorführung des Fachgymnasiums für Tanz und Bildende Künste Győr, des Ungarischen Nationalballetts, sowie viele weitere interessante Tanzauftritte ansehen.
One way to heaven – Photo: László Ambrus
Fact
Die Stadt Győr (ihr deutscher Name ist Raab) liegt fast genau zwischen Wien und Budapest, außerdem ist sie die Bezirksstadt des Komitats Győr-Moson-Sopron. Die sechstgrößte Stadt von Ungarn hat etwa 130.000 Einwohner und ist eine beliebte Destination sowohl für einheimische als auch für ausländische Touristen. Győr hat eine einzigartige Atmosphäre: es gibt hier wunderschöne Gebäude und Kirchen, die im Renaissance- oder Barockstil erbaut wurden, breite Promenaden entlang der Flüsse, die durch die Stadt fließen, prächtige Plätze, wo viele Events stattfinden, und zahlreiche Restaurants und Bars, die für die Besucher das ganze Jahr geöffnet sind
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Aber wie ist Győr eines der wichtigsten Tanzzentren von Ungarn geworden?
Es war ein Meilenstein im ungarischen Tanzleben, in der Geschichte des ungarischen Tanzes und in der Kulturgeschichte der Stadt Győr, als 1979 die Abschlussklasse des Ungarischen Staatlichen Ballettinstituts beschloss, zusammenzubleiben und eine Kompanie zu gründen. Iván Markó, der sich aus dem weltberühmten Ensemble von Maurice Béjart verabschiedet hatte, wurde für diese Sache gewonnen. Iván Markó kam nach Győr und wurde der Leiter des Ensembles.
GisL – Photo: László Ambrus
1991, nach dem Ausscheiden des Gründungsdirektors, übernahm János Kiss die Leitung des Ensembles, und es begann eine neue Ära in der Geschichte des Győrer Balletts. Auch nach dem Wechsel des Intendanten gelang es dem Ensemble, sich zu erneuern, das künstlerische Niveau Jahr für Jahr zu steigern und seinem Publikum ein immer besseres Niveau zu bieten. In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten wurde die beharrliche künstlerische Arbeit des Ensembles von neuen Erfolgen gekrönt.
In den vergangenen Saisons hat das Ensemble mit renommierten Choreografen wie Robert North, Ben Van Cauwenbergh, Christopher Bruce, Cayetano Soto, Gyula Harangozó Jr., András Lukács, Leo Mujic, Gustavo Ramirez Sansano und György Vámos gearbeitet.
Mit der Ernennung des ehemaligen Solotänzers László Velekei zum künstlerischen Leiter hat im Wirken des Ensembles wiederum eine neue Ära begonnen. László Velekei, der sich nach Beenden seiner Tanzkarriere ganz dem Choreografieren widmete, stellte sich als erfolgreicher Choreograph vor, seine Werke – wie z.B. die kürzeren Stücke: „Romantik“ zu Kompositionen von Zoltán Kodály oder „Ein Flüchtling aus Warschau“ (beide 2017 geschaffen), und auch seine abendfüllenden Ballette in zeitgenössischer Tanzsprache – darunter „The Scarlet Letter“ (ebenfalls 2017, nach dem Roman von Nathaniel Hawthorne) oder „Anna Karenina“ (2019) sowie „GisL“ (2020, nach dem romantischen Klassiker Giselle zu Musik von Félix Lajkó gestaltet), wurden vor allem in Ungarn aber auch im Ausland immer öfter gespielt. 2020 folgte nach László Velekei der dritte Direktor des Győrer Balletts und zwar war das János Kiss, der weiterhin als Berater mit dem Ensemble verbunden blieb.
Interview mit dem Ballettchef László Velekei
László Velekei – Photo: Árpád Kurucz
Wie erinnerst Du Dich an den Anfang? Wo und wann hast du mit dem Tanzen angefangen? Als Kind hast Du ja Volks- und Turniertanz studiert, wie bist Du zum Ballett gekommen?
Ich tanze schon, solange ich denken kann. Im Kindergarten wurde mir der Volkstanz beigebracht und ich wurde sofort mit der Liebe zum Tanzen angesteckt. Meine Eltern waren tanzbegeisterte Menschen, sie gründeten selbst einen Tanzclub und ich war in meiner Freizeit immer dabei. Eines Tages habe ich mich dabei ertappt, dass mir dieses Milieu sehr gut gefällt, und das hat mich glücklich gemacht. Als meine Eltern mich dann zu Wettbewerben mitnahmen und ich immer wieder Erfolge hatte, wurde es irgendwie Teil meines Lebens. Damals ahnte ich noch nicht, wie viel ich vom Tanz lernen würde, was ich später als Erwachsener gut gebrauchen kann.
1996 gehörtest Du zu den Gründungsmitgliedern des Ungarischen Festivalballetts, das unter der Leitung von Iván Markó seine Tätigkeit aufnahm. Wie hast Du dich dort als junger Künstler gefühlt? Wie war es, mit Iván Markó zusammen zu arbeiten?
Es war eine große Ehre, von Iván unter so vielen Tänzern ausgewählt zu werden, denn er sagte: „Ich bin Ihrem jugendlichen Ich sehr ähnlich“. Ich habe eine Menge gelernt, nicht nur über den Beruf, sondern auch über den Tanz als Berufung selbst.
Du bist seit 1997 Mitglied des Győrer Balletts. Wie war es, in deine Heimatlandschaft, in die Kleine Tiefebene, das Landschaftsgebiet um Győr, und nach Győr selbst zurückzukehren? Wie wurdest Du aufgenommen und wie schnell hast Du dich in das Team eingefügt? Du hast dich im Laufe der Jahre in fast jeder Rolle des Ensembles ausprobiert. Du warst Mitglied der Tanzkompanie, Solist, künstlerischer Assistent, Probenleiter, Choreograf, künstlerischer Leiter und ab 2020 Ballettdirektor. Wie hast Du diese Veränderungen erlebt?
Ehrlich gesagt, bin ich durch Zufall zum Győrer Ballett gekommen, dann hat mich das Győr-Gefühl gepackt, und jetzt bin ich seit 25 Jahren hier. Ja, ich hatte die Gelegenheit, mich in vielen Rollen auszuprobieren, aber das waren nicht meine eigenen Ambitionen. Das Leben hat mich einfach in diese Richtung geführt. Im Nachhinein betrachtet, war jede Prüfung, jede Phase meines Lebens aus dem Grund gut für mich, um in meinem jetzigen Leben stark sein zu können. Ich war Tanzkünstler, um die Sprache als Choreograf zu erlernen, ich war Gestalter, um die Fähigkeit zu bekommen, wie man mit Menschen umzugehen hat, und ich wurde Regisseur, um eines Tages Regie führen zu können. Veränderungen sind ein Teil unseres Lebens, sie inspirieren mich und geben meinem gegenwärtigen Leben seine Vielfarbigkeit.
GisL – Photo: László Ambrus
Was waren die denkwürdigsten und schönsten Momente und Stücke Deiner bisherigen Arbeit? Als Tänzer, Choreograf und Leiter?
Das ist schwer in Worte zu fassen. Ich glaube, dass die Reise selbst immer wichtig ist. Es ist die Berufung (der Tanz) selbst, der mir ein besonderes Leben beschert, ich würde keine einzige Minute davon eintauschen wollen, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, schon hundert Jahre gelebt zu haben.
Neben deiner Arbeit als Ballettchef choreografierst Du weiter und bringst zahlreiche neue Stücke auf die Bühne. Um nur einige zu nennen: „Don’t hurt“, „The Scarlet Letter“, Anna Karenina, Mimi, GisL und dieses Jahr das „One Way to Heaven“. Wie lässt Du dich inspirieren und sammelst neue Ideen? Wie schaffst Du neue Choreografien?
Das Schaffen ist Teil meiner Persönlichkeit, mein Gehirn existiert in drei Welten gleichzeitig. Vielleicht ist es mein kindliches Ich, das mich in diese Richtung inspiriert, und natürlich das Reisen. Jede Choreografie beginnt mit einer Vision, die mir neue Türen öffnet und mir eine neue Welt erschließt, in der ich nur ein Abenteurer bin. Die Frage ist letztlich, ob ich an diese Vision glaube. Wenn ich das tue, werde ich es schaffen.
Seit Du zum Direktor gewählt wurdest, werden den Tanzliebhabern neben den Klassikern immer mehr Neuigkeiten angeboten. Es ist besonders anregend, Stücke zu inszenieren, die die Jugendlichen und die Kleinsten ansprechen. Das „Tánci-Tánci“-Programm (Theater für Babys) wurde ins Leben gerufen, und in diesem Jahr findet das Kindertanzfestival zum siebten Mal im Rahmen des Ungarischen Tanzfestivals statt. Wie kommen diese Programme an?
Alle unsere Programme für Kinder und Jugendliche sind ein großer Erfolg und stoßen auf großes Interesse. Meiner Meinung nach spielt unsere Kunst eine wichtige Rolle in der Gesellschaft. Und als Vater kann ich Ihnen sagen, dass es das Verantwortungsvollste und Erhebendste ist, Kinder an Kunst heranzuführen, sie für Kunst zu begeistern. Jedes unserer Kinder-Events ist eine Glücksbombe für uns.
Maszkabál – Photo: Sándor Orosz
Ich kann mir vorstellen, dass Ihr alle sehr gespannt auf das kommende Ungarische Tanzfestival in Győr seid, das seit vielen Jahren eine beliebte Veranstaltung für sehr viele Menschen ist. Welche Art von Programmen und Überraschungen bereitet Ihr dieses Jahr vor? Denkt Ihr auch dieses Jahr an die Kleinsten?
Ja, wir befinden uns in der Endphase der Organisation des Festivals mit sechs Veranstaltungsorten für unser Publikum. Ich bin stolz auf die ungarische Tanzkultur, weil wir eine sehr bunte Palette anbieten können, und jeder seine Lieblingsveranstaltung finden kann, die zu ihm passt, egal ob es sich um eine Produktion für Kinder, Jugendliche, in zeitgenössischer oder eher konservativer Form handelt.
Kann man etwas über Eure neuen Pläne und die neue Saison erfahren?
In der Saison 2022/23 werden wir Peer Gynt, „Die vier Jahreszeiten“ und „Miss Julie“ (nach dem Werk von August Strindberg) aufführen. Aber auch unser Strawinsky/Mimi-Abend, Anna Karenina, GisL und „The Scarlet Letter“ bleiben in unserem Repertoire. Wir starten unsere Veranstaltungsserie „Ballett am Montagabend“, wo man das Ballett Antigone, „Don’t hurt“ und „One Step Closer“ als Kammervorstellungen sehen kann. Und für die Kinder werden wir die Stücke „Max und Moritz“ und „Maskenball“ vorführen.
Weitere Details zum Programm finden Sie hier:
(Quelle: Győri Balett, Photos: László Ambrus, Árpád Kurucz, Sándor Orosz, Győri Balett)