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Abschied von einem „wahren Freund Ungarns“

Ungarn Heute 2023.12.28.

Wolfgang Schäuble, ehemaliger Bundestagspräsident und ehemaliger Bundesfinanzminister, ist am Dienstagabend im Alter von 81 Jahren gegen 20 Uhr friedlich verstorben, teilte die Familie der DPA mit.

Als Finanzminister und insbesondere als Parlamentspräsident von 2017-2021 pflegte Schäuble eine enge Freundschaft zu Ungarn. Als im September 2017 vorgeschlagen wurde, dass die Europäische Kommission Ungarn für die Transitzonen und den Grenzzaun bestrafen solle, verteidigte Schäuble Ungarn: „Es wäre nicht klug, sofort mit dem großen Knüppel zu wedeln“, sagte er der Passauer Neuen Presse.

Im April 2018 wandte er sich vorsichtig gegen die Idee, die Fidesz aus der Europäischen Volkspartei auszuschließen, indem er anmerkte:

Es gibt eine parteiinterne Demokratie auch auf europäischer Ebene und nicht jeder muss immer mit jedem übereinstimmen“.

Wolfgang Schäuble forderte, dass Ungarn „nicht belehrt, sondern angehört werden sollte“.

Im Juli 2018, als sich die Debatte zwischen Fidesz und EVP zuspitzte, stattete Viktor Orbán ihm einen besonderen Besuch ab und begrüßte ihn wie einen alten Freund. Im September 2019, zum 30. Jahrestag des Paneuropäischen Picknicks, empfing er den ungarischen Parlamentspräsidenten László Kövér, und sagte, dass „wir den Mut und die Großzügigkeit des ungarischen Volkes im Sommer 1989 nicht vergessen werden“ und auch nicht „den entscheidenden Beitrag Ungarns zur deutschen und europäischen Einheit“. Zu dieser Zeit war es sehr selten, dass in Westeuropa solche Stimmen über unser Land zu hören waren.

Dann, im November 2020, schrieb László Kövér bei der Abstimmung über das Rechtsstaatlichkeitsverfahren einen besonderen Brief an Wolfgang Schäuble, um mit seiner Autorität eine Regelung zu verhindern, die eine „politische Erpressung“ einzelner Mitgliedsstaaten ermöglichen würde. Ob er im Namen unseres Landes interveniert hat, ist nicht bekannt; der Rest ist Geschichte.

Im Juni 2022 verlieh Staatspräsidentin, Katalin Novák, die während des Streits zwischen Fidesz und EVP Vizepräsidentin für Außenpolitik der größeren Regierungspartei war, Wolfgang Schäuble das Großkreuz des ungarischen Verdienstordens.

Katalin Novák sagte damals:

Herr Präsident hat uns nicht nur zugehört, sondern uns auch verstanden, auch wenn wir nicht in allem einer Meinung waren. Er hat mit uns Ungarn immer als Partner und Gleichberechtigte gesprochen.“

Auch Ministerpräsident Viktor Orbán verabschiedete sich vom Verstorbenen, der als „visionärer deutscher Politiker, großer europäischer Staatsmann und wahrer Freund Ungarns“ bezeichnet wurde.

„Mit Wolfgang Schäuble verliert Deutschland einen der größten Staatsmänner der Nachkriegszeit, einen der glaubwürdigsten Verfechter einer institutionalisierten europäischen Zusammenarbeit auf der Grundlage von Dialog und Respekt, einen echten Freund Ungarns und eine der wenigen Personen des öffentlichen Lebens in Deutschland, die die historischen Wurzeln und die Bedeutung der ungarisch-deutschen Beziehungen verstanden“, schrieb Kanzleiminister Gergely Gulyás in einem Facebook-Eintrag.  Er hob hervor, dass der Verstorbene „einer der letzten glaubwürdigen Vertreter des deutschen Konservatismus“ und

in einer deutschen Öffentlichkeit, wo die Verunglimpfung Ungarns mittlerweile angesagt ist, ein ‚Verfechter der Freundschaft zwischen unseren Völkern‘ war.

Jacques Delors, der Vater der modernen Europäischen Union, ist am Mittwoch im Alter von 98 Jahren gestorben, berichtet die AFP unter Berufung auf die Tochter des Politikers. Er war drei Amtszeiten lang Präsident der Europäischen Kommission und spielte eine wichtige Rolle bei der Einführung der Gemeinschaftswährung in der EU.

Ein sehr trauriger Tag für Europa, schrieb die ungarische Staatspräsidentin in ihrem X-Eintrag und verabschiedete den „großen französischen und europäischen Staatsmann“.

Via Mandiner Beitragsbild: Armin Laschet, Twitter (X)