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Asylantrag führt zu einer diplomatischen Verstimmung zwischen Budapest und Warschau

Ungarn Heute 2024.12.30.

Viktor Orbán und Donald Tusk am 08.11.2024 in Budapest

Die polnische Regierung verklagt Ungarn vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, weil es dem polnischen Oppositionspolitiker Marcin Romanowski, gegen den ein europäischer Haftbefehl vorliegt, Asyl gewährt hat. Laut dem stellvertretenden polnischen Außenminister Andrzej Szejna verstößt Ungarn damit eindeutig gegen EU-Recht, berichtet index.hu.

Der ehemalige stellvertretende polnische Justizminister Marcin Romanowski wird in 11 Fällen verschiedener Straftaten verdächtigt. Die Anklage lautet auf Beteiligung an einer organisierten kriminellen Vereinigung, Amtsmissbrauch und Erzielung eines kriminellen Gewinns. Nachdem das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Untersuchungshaft stattgegeben hatte, verschwand Romanowski und wurde zunächst mit nationalem und dann mit europäischem Haftbefehl gesucht. Er tauchte schließlich in Ungarn auf, wo ihm Asyl gewährt wurde, unter anderem mit der Begründung, dass er in Polen keinen fairen Prozess erwarten könne.

Kanzleiminister Gergely Gulyás sprach in einem Interview mit Mandiner über die innenpolitische Lage in Polen, wo es seiner Meinung nach eine Krise des Rechtsstaats gibt. Der Minister erinnerte daran, dass die Frage der Rechtsstaatlichkeit in den letzten Jahren immer wieder aufgeworfen wurde, zum Beispiel im Zusammenhang mit Ungarn. Wäre diese Kategorie nicht von den Liberalen „als Geisel genommen und als politische Waffe benutzt“ worden, hätte es in den letzten Monaten in Europa Anlass zur Sorge gegeben, insbesondere wegen des Vorgehens der polnischen Regierung.

Wir sind entschlossen, Ungarn vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu verklagen“,

sagte der stellvertretende Außenminister Andrzej Szejna diese Woche gegenüber Radio Zet, wie aus einem Artikel auf notesfrompoland.com hervorgeht. Der Politiker sagte, Ungarn habe eindeutig gegen den im EU-Vertrag verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen. Das polnische Außenministerium überreichte dem ungarischen Botschafter in Warschau eine Protestnote und bestellte seinen Budapester Botschafter auf „unbestimmte Zeit zu Konsultationen“ nach Polen. Szejna betonte, dass die Beziehungen zu Ungarn wegen dessen „unfreundlichem Verhalten gegenüber Polen“ „schwierig“ geworden seien, und bezeichnete die ungarische Regierung als „pro-russisch“.

Er fügte hinzu, dass, falls ein ungarisches Gericht sich weigern sollte, den Haftbefehl gegen Romanowski zu vollstrecken, „weitere Schritte unternommen werden würden“. In einem ersten Schritt muss Polen eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission einreichen, die eine Stellungnahme abgibt, und erst dann kann der Fall vor Gericht gebracht werden.

Nach Angaben des polnischen Rundfunks RMF dauert das gesamte Verfahren durchschnittlich zwei Jahre.

Romanowski stellte in dieser Woche fünf Bedingungen, bei deren Erfüllung er bereit ist, nach Polen zurückzukehren und sich vor Gericht zu stellen. Jede dieser Bedingungen setzt voraus, dass die Regierung die Änderungen am Justizsystem rückgängig macht, die sie seit dem Sturz der PiS-Regierung eingeführt wurden. Die polnische Regierung weist jedoch die Behauptungen Ungarns und Romanowskis zurück, dass es „in Polen keine Rechtsstaatlichkeit“ gäbe. Das Kabinett betont, dass es im Gegenteil versucht, die in den acht Jahren der PiS-Regierung begangenen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit zu beheben.

Die derzeitige polnische Regierung habe eine arrogante Haltung gegenüber Ungarn, so die Organisation  „Juristen für Polen“ in einem am Montag veröffentlichten offenen Brief, in dem sie die Vorladung des ungarischen Botschafters in Warschau bezüglich des Asyls, das Marcin Romanowski in Ungarn gewährt wurde, kommentiert. Sie bezeichnet die Art und Weise, wie „die rechtsbrüchige [polnische] Regierung versucht, den demokratischen ungarischen Staat zu belehren“, als „extrem arrogant“. Die Vorladung des Botschafters beweise, dass

die diktatorisch werdende Regierung die Beharrlichkeit Ungarns fürchtet“.

Die tausendjährige polnisch-ungarische Freundschaft könne jedoch „nicht durch die Handlungen einer Gruppe von Personen beschädigt werden, die das vorübergehende Vertrauen der Polen genießen […] und ausländische Interessen an der Weichsel vertreten“, heißt es in dem Schreiben, das Ungarns Haltung, „des einzigen europäischen Staates, der sich nicht scheut, für die polnische Gesellschaft einzutreten“, lobt.

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Via index.hu Beitragsbild: MTI/Miniszterelnöki Sajtóiroda/Fischer Zoltán