BYD, der weltweit führende Hersteller von Fahrzeugen mit neuer Energie, kündigte im Jahr 2023 an, in Szeged sein erstes europäisches Automobilwerk mit einer Investition von mehreren Milliarden Euro zu errichten, in dem 300.000 Autos pro Jahr produziert werden können. Mit dem Bau der Fabrik wurde bereits begonnen, und vorläufigen Informationen zufolge könnte die Produktion im Jahr 2025 anlaufen. Schon allein aus diesem Grund – und natürlich aus reiner Neugier – nahm die Redaktion von Ungarn Heute die Einladung zum Besuch des Hauptsitzes des chinesischen Unternehmens in Shenzhen gerne an.
Das 2003 gegründete Unternehmen BYD Auto ist der erste Automobilhersteller der Welt, der die Produktion von Fahrzeugen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, im Zuge des Übergangs zur Elektromobilität eingestellt hat. Der weltweit führende Hersteller von Plug-in-Fahrzeugen (NEVs), der neben Elektrofahrzeugen auch Plug-in-Hybridfahrzeuge (PHEVs) anbietet, wurde in Ungarn im Juli, August und September zum Marktführer im Segment der reinen Elektrofahrzeuge (BEV).
Der Hauptsitz des Unternehmens in Shenzhen hat nicht nur für Autoliebhaber, sondern auch für Geschichtsinteressierte viel zu bieten. Das zentrale Gebäude präsentiert u.a. die Geschichte des Unternehmens von der Gründung bis zur Gegenwart in einer museumsähnlichen Umgebung. Es zeigt, wie sich die Unternehmensstrategie von BYD verändert hat und wie der Automobilhersteller beschloss, keine mit fossilem Brennstoff betriebenen Fahrzeuge mehr zu produzieren. Auch das auf Innovation ausgerichtete Entwicklungskonzept des Unternehmens, die 4 Hauptmarken und die globale Expansion von BYD werden vorgestellt.
Im Ausstellungsraum konnten wir einen Blick auf die branchenführende Blade-Batterie, die e-Plattform 3.0 und die Dual-mode Hybrid Drive (DM-i) Technologie werfen, mit der das Unternehmen den Übergang von fossilen Brennstoffen zu Elektrofahrzeugen beschleunigen will.
BYD hat weltweit über 20.000 Patente angemeldet, davon über 10.000 in China. Laut BYD werden täglich etwa 100 neue Patente eingereicht. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 über 100.000 Patente zu besitzen.
Zu diesen Patenten gehört die Blade-Batterie. Laut der BYD-Webseite erhöht die einzigartige, flache Rechteckform der Blade-Batterie die Effizienz von Kühlung und Vorwärmleistung. Die in Blöcken nebeneinander angeordneten Zellen dienen auch als strukturelle Verstrebungen, um die Batterie widerstandsfähiger gegen Stöße zu machen. Der untere und obere Teil des Batteriepacks besteht aus hochfesten Aluminiumpaneelen mit wabenartigem Struktur, die die vertikale Steifigkeit deutlich erhöhen. Die Raumausnutzung der Blade-Batterie ist um mehr als 50 Prozent besser als bei herkömmlichen Batterien, was zu einer höheren Energiedichte und größeren Reichweite führt. Um die hervorragende Sicherheit der BYD-Batterie zu demonstrieren, wurde uns ein Nadeleinstichtest mit einer NCM-Batterie und einer Blade-Batterie vorgeführt. Die Blade-Batterie bestand den Test, ohne Feuer zu fangen oder Rauch zu entwickeln.
Anhand von Modellen wurde der Betrieb der vollautomatischen Produktionslinien und der Prozess der Fahrzeugmontage veranschaulicht.
Neben den BYD-Autos wurden auch die Bahnlösungen des Unternehmens präsentiert. Der Sky Shuttle, ein intelligentes Schienenverkehrssystem mit geringer Kapazität, das das Unternehmen in den letzten sieben Jahren entwickelt hat, bezieht seinen Strom aus Ladestationen an den Haltestellen während die Fahrgäste ein- und aussteigen, und kann so bis zur Endstation fahren, ohne zum Aufladen anhalten zu müssen.
Am Ende des Besuchs sahen wir uns die ausgestellten BYD-Modelle genauer an. Der auffälligste Wagen im Gebäude war der YangWang U8, der vor zwei Wochen auch in Ungarn vorgestellt wurde. Die vier Räder des riesigen SUV werden von separaten Elektromotoren angetrieben, was eine präzise Steuerung der Haftung und der Drehmomentübertragung in allen Situationen mit extrem kurzen Reaktionszeiten ermöglicht. Die völlig unabhängige Steuerung der vier Elektromotoren verändert auch die Lenkeigenschaften fundamental: Der rechte und der linke Antrieb können umgekehrt werden, so dass er sich wie ein Panzer in einer Position drehen kann.
Bei einer Länge von 5319 Millimetern, einer Breite von 2050 Millimetern und einer Höhe von 1930 Millimetern und einem Nettogewicht von rund 3,5 Tonnen ist das Auto mit 1197 PS ausgestattet. Der YangWang U8 beschleunigt in 3,6 Sekunden auf 100 km/h und erreicht eine elektronisch geregelte Höchstgeschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde. Doch all das wird von der extremsten Fähigkeit des U8 in den Schatten gestellt: Der fast 3,5 Tonnen schwere SUV ist auch in der Lage, für etwa eine halbe Stunde zu schwimmen.
Build Your Dreams (BYD), das 300 Händler in 23 europäischen Ländern, darunter auch in Ungarn, unterhält, hat auf dem Kontinent sechs reine Elektromodelle auf den Markt gebracht: den Atto 3 (kompakter Geländewagen), den Han (Limousine der oberen Mittelklasse), den Tango (Geländewagen der oberen Mittelklasse), den Dolphin (kompakter Fünftürer), den Seal (Limousine der Mittelklasse) und den Seal U (Geländewagen der Mittelklasse).
Letzte Woche ging die Nachricht durch die Weltpresse, dass die chinesische Regierung große Automobilhersteller „emutigte“, größere Investitionen in Ländern zu stoppen, die für die Einführung von Zöllen auf ihre Produkte stimmten. Peking hat die Geschäftsführer auch darum „gebeten“, in EU-Ländern zu investieren, die gegen die Zölle gestimmt haben. Dazu gehören Deutschland, Ungarn, Malta, Slowenien und die Slowakei.
Das bedeutet also, dass u.a. die Investition von BYD in Ungarn nicht gefährdet ist, weil das Land nicht für die Zölle auf chinesische Elektroautos gestimmt hat.
Presseberichten zufolge könnte BYD sogar seinen europäischen Hauptsitz aus Kostengründen von den Niederlanden nach Ungarn verlegen.
Stella Li, Topmanagerin des chinesischen Elektroauto-Marktführers BYD, kündigte kürzlich an, dass das Unternehmen zu einem wichtigen Marktteilnehmer in Europa werden möchte. Der Plan von BYD, bis Ende 2025 eine Autoproduktion in Ungarn aufzubauen, könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
Bei unserem Besuch in der BYD-Zentrale hatten wir die Möglichkeit zu fragen, ob das Unternehmen vorhat, in Zukunft mit der Universität Szeged zusammenzuarbeiten, und bekamen als Antwort ein klares Ja. Das chinesische Unternehmen plant also auch ungarischen Studenten die Möglichkeit zu bieten, die Träume gemeinsam zu bauen. Wie auch immer das Schicksal des europäischen Hauptsitzes aussehen wird, schon jetzt ist klar, dass Szeged und die Automobilindustrie in Ungarn von der Präsenz des chinesischen Riesen stark profitieren können.
Beitragsbild: Ungarn Heute