Nachdem Spirit FM – bislang nur im Internet zu empfangender Partnersender von ATV – eine provisorische Genehmigung zur Übernahme der verwaisten Frequenz von Klubrádió erhalten hat, liefern sich die beiden oppositionsnahen Medienunternehmen einen medialen Schlagabtausch. Presseschau von budapost.de.
In einem nicht gezeichneten Bericht auf ihrer Internetseite – die Druckausgabe lag bereits an den Kiosken aus – behauptet das Wochenmagazin 168 Óra, Klubrádió-Gründungseigentümer András Arató habe versucht, eine für ein anderes Wochenblatt tätige Journalistin aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung für Spirit FM feuern zu lassen. Dazu wollten weder das betroffene Magazin Jelen noch die Journalistin Dóra Ónody-Molnár Stellung beziehen. Arató bestritt auch, die Entlassung der Journalistin gefordert zu haben. Er habe den Chefredakteur von Jelen lediglich angefragt, ob Ónody-Molnárs Anwesenheit bei Spirit FM mit ihrem Job für Jelen vereinbar sei. 168 Óra bringt die Geschichte unter der Überschrift „Klubrádió-Eigner jagt Journalisten“. (Um die Dinge noch komplizierter zu machen: 168 Óra beschäftigt mehrere Journalisten, die auch regelmäßig Beiträge für Klubrádió produzieren. Die Eigentümerin von 168 Óra, die Brit Media Ltd, ist zudem Minderheitseigentümerin von Klubrádió. Zuvor hatte Heti Világgazdaság behauptet, hinter Brit Media stehe die chassidische Glaubensgemeinschaft EMIH.)
In einer Stellungnahme auf seiner eigenen Website hatte Klubrádió jeden, der mit Spirit FM zusammenarbeitet, als Verräter bezeichnet. In dem Kommuniqué wird der Eigentümerin von ATV, der evangelikalen Hit Gyülekezete, Kollaboration mit den Behörden vorgeworfen, die Klubrádió eine Verlängerung seiner Sendelizenz verweigert hatten (siehe BudaPost vom 13. März). Die Autoren bezeichnen ATV und Spirit FM als „Grabräuber“ und schreiben in einer klaren Anspielung auf den Holocaust, dass „das Beanspruchen von Eigentum, das von den Opfern der Machthaber konfisziert wurde, in unserem Land nicht ohne eine gewisse Tradition ist“.
Szilárd S. Németh, Programmdirektor von ATV, erklärte, dass Spirit FM nur um eine provisorische Lizenz für die Frequenz von Klubrádió nachgesucht habe, und zwar Monate nach der Einstellung seines terrestrischen Sendebetriebs. Man werde sich „mit Würde zurückziehen“, sobald Klubrádió seine Lizenz vor Gericht zurückgewinne, beteuerte Németh gegenüber 168 Óra. Die Anspielung auf den Holocaust wies er als geschmacklos zurück und betonte: „Ich würde die Erinnerung an den Holocaust niemals für geschäftliche Zwecke missbrauchen.“
Unterdessen rief der marxistische Philosoph Gáspár Miklós Tamás oppositionsnahe Intellektuelle und Oppositionspolitiker dazu auf, sowohl ATV als auch Spirit FM zu boykottieren, damit sie nicht als Komplizen in diesem „verabscheuungswürdigen Verfahren“ wahrgenommen würden. In seinem auf der Klubrádió-Website veröffentlichten Appell forderte er zudem alle Journalistinnen und Journalisten bei Spirit FM und ATV zur Kündigung auf.
In einem Beitrag für Magyar Narancs bekundet Gábor Iványi seine Unterstützung für die Idee des Boykotts von ATV und seiner Radio-Tochter. Der methodistischer Pastor, der eine kleine Gemeinde leitet, die seit Jahren um die erneute Anerkennung als offizielle Kirche kämpft, beschuldigt die „religiöse Interessengruppe“ hinter Spirit FM, das die Frequenz von Klubrádió übernommen habe, eine Marionette der Regierung zu sein.
In der vergangenen Woche traten weiterhin führende linke Politikerinnen und Politiker im Programm von ATV auf (hier eine Liste von Gästen der werktäglichen Talkshow Egyenes Beszéd [Offen Gesagt]), darunter Kata Tüttő, die stellvertretende Budapester Oberbürgermeisterin von der MSZP, sowie Klára Dobrev, Kandidatin der Demokratischen Koalition für das Amt des Ministerpräsidenten. Allerdings wiesen sie den Aufruf zum Boykott von ATV und Spirit FM nicht direkt zurück. Einzig Csaba Tóth, Bürgermeister des XIV. Hauptstadtbezirks, erklärte gegenüber 168 Óra: Statt eines Medienboykotts sei es seine Aufgabe, die Öffentlichkeit mit seinen Ideen zu erreichen.
(Titelbild: Markus Spiske – Pixabay)