Bei der Analyse des Interviews, das der ungarische Ministerpräsident dem Moderator Tucker Carlson vom US-amerikanischen Fernsehsender Fox News in der vergangenen Woche in Budapest gegeben hatte, stellen oppositionelle Kommentatorinnen und Kommentatoren fest, dass die Positionen der beiden Männer ungeachtet ihrer übereinstimmenden Ansichten zu den Themen des aktuellen Kulturkampfes voneinander abweichen würden.
Gábor Horváth bezeichnet Tucker Carson als „verzweifelten“ reichen Mann, der aus Angst um seine eigenen Privilegien progressive Ideen bekämpfe. Orbán hingegen, so fährt er in einem Kommentar für Népszava fort, „fleht“ die Vereinigten Staaten in dem Interview an, die ungarische Opposition im Vorfeld der Wahlen 2022 nicht zu unterstützen. Die Wut beider Männer werde von Angst geschürt, so Horváth.
Auf Azonnali identifiziert Csaba Tibor Tóth mehrere Themen, bei denen sich die Ansichten Carlsons deutlich von denen des Ministerpräsidenten unterscheiden, auch wenn sie bei anderen Themen die gleichen Ansichten vertreten würden, darunter illegale Einwanderung, Geschlechterfragen und „Wokeness“. Das Interview wäre viel lebendiger gewesen, meint der Autor, wenn sie über die Rolle Chinas in der Welt gesprochen hätten – eine Frage, die Carlson sehr am Herzen liege –, sowie über das Problem, wie stark die Befugnisse von Zentralregierungen sein sollten. Auch hätten sie über die Verwendung von Schutzmasken während der Pandemie reden sollen, die Carlson strikt ablehne.
Auf der Website von Magyar Hang weist Szabolcs Szerető auf die unterschiedlichen Interpretationen des Illiberalismus seitens der beiden Männer hin. Tucker Carlson beschuldige die amerikanische Linke, illiberal zu sein, wenn sie versucht, die freie Meinungsäußerung zu umstrittenen Themen einzuschränken. Im Gegensatz dazu bezeichne Orbán seine eigene politische Haltung als illiberal, weil er die Ansichten der heutigen westlichen Liberalen zu Themen wie Einwanderung und Gender ablehne. Szerető wirft dem ungarischen Ministerpräsidenten allerdings vor, diese Themen als Deckmantel für seine eigentliche Absicht zu benutzen, die Kontrollen seiner Macht als nationaler Staatslenker auszuschalten.
Auf der Webpräsenz des Fernsehsenders ATV zitiert Ildikó Csuhaj ungenannte Quellen aus dem Umfeld der Regierungspartei, denen zufolge Orbán in dem Interview habe klarstellen wollen, dass er keinen Hoffnungsschimmer bezüglich einer positiven Veränderung der unfreundlichen Haltung der Biden-Regierung gegenüber seiner Regierung erkennen könne. Er habe die bilateralen Meinungsverschiedenheiten in einen typisch amerikanischen Kontext eingeordnet: Ungarn sehe die Welt so, wie sie von Samuel Huntington in seinem Essay über den „Kampf der Kulturen“ charakterisiert worden sei – und nicht so, wie sie in Francis Fukuyamas „Das Ende der Geschichte“ durch den endgültigen Triumph der liberalen Demokratie beschrieben werde.
(via budapost.de, Beitragsbild: MTI/Zsolt Szigetváry)