Papst Franziskus wird am 12. September 2021 die Abschlussmesse des 52. Internationalen Eucharistischen Kongresses in Ungarn zelebrieren. Vor der Messe ist ein separates Treffen mit der ungarischen Staatsführung, Präsident János Áder, Ministerpräsident Viktor Orbán, Mitgliedern der Regierung und anderen hochrangigen Staatsführern geplant. Lange schien es aber so, dass sich der Papst ungeachtet von Bemühungen der ungarischen Regierung und kirchlicher Diplomaten nicht mit führenden Politikern des Landes treffen wolle. In den letzten Tagen haben mehrere bekannte Publizisten der Regierungsmedien verbale Angriffe gegen den Papst gerichtet.
Papst Franziskus wolle ein Treffen mit ungarischen Spitzenpolitikern vermeiden, um sie für deren Verteidigung des Christentums zu bestrafen. So die Ansicht eines regierungsnahen Publizisten mit Blick auf die einwanderungskritische Politik der ungarischen Führung. Ein linker Kommentator beschuldigt hingegen die Regierung, sie missbrauche das Christentum zur Förderung ihrer eigenen politischen Agenda.
Papst Franziskus wird im Rahmen einer Pastoralvisite in der Slowakei auch Budapest einen Kurzbesuch abstatten, um an der Abschlussmesse des Internationalen Eucharistischen Kongresses teilzunehmen (siehe BudaPost vom 11. März). Laut einem Bericht der US-amerikanischen Zeitung National Catholic Register (NCR) will sich Papst Franziskus ungeachtet von Bemühungen der ungarischen Regierung und kirchlicher Diplomaten nicht mit führenden Politikern des Landes treffen. Die Weigerung soll dem Vernehmen nach mit der gegen Einwanderer gerichteten Politik des Kabinetts von Ministerpräsident Viktor Orbán in Zusammenhang stehen. Am Dienstag verkündete Miklós Beer, der ehemalige Bischof von Vác: Papst Franziskus werde sowohl Orbán als auch Staatschef János Áder beim Internationalen Eucharistischen Kongress kurz treffen und ihnen die Hände schütteln.
Der Chefredakteur von Magyar Demokrata, András Bencsik, hat Papst Franziskus in einem Blogeintrag sowie in einer Talkshow bei Hír TV „antichristliches Verhalten“ vorgeworfen. Nach Einschätzung des regierungsfreundlichen Publizisten möchte der Papst das ungarische Kabinett dafür bestrafen, dass es das Christentum durch das Fernhalten von Migranten verteidige.
Miklós Hargitai bezeichnet es als widerlich, dass András Bencsik dem Papst Vorträge über christliche Werte halte. Das Geplänkel um den Besuch von Papst Franziskus sowie dessen Unwille, ungarische Politiker zu treffen, bewiesen, dass der Fidesz das Christentum für seine politischen Zwecke einspanne, so der Kommentator der linksorientierten Tageszeitung Népszava.
Die Opposition werde den Kurzbesuch des Papstes als Zeichen der Kritik an der ungarischen Regierung interpretieren, ist sich Levente Sitkei sicher. In Magyar Nemzet weist er derartige Interpretationen zurück und vermerkt, dass der Besuch des Papstes nicht als politisches Ereignis betrachtet werden sollte. Der konservative Kommentator hält es für absurd, dass linke Atheisten die Religion zur Kritik an der Regierung missbrauchen würden.
Auch István Kuzmányi hält politische Interpretationen des Besuchs von Papst Franziskus für weit hergeholt. Auf dem katholischen Nachrichtenportal Magyar Kurír erinnert dessen Chefredakteur daran, dass Papst Franziskus lediglich aus Anlass der Abschlussmesse des Internationalen Eucharistischen Kongresses nach Budapest kommen werde. Seine kurze Reise in die ungarische Hauptstadt sei also kein offizieller Pastoralbesuch und habe daher keine ideologischen oder politischen Implikationen, betont Kuzmány.
Zoltán Veczán von Mandiner warnt davor, den einschlägigen Behauptungen viel Glauben zu schenken. Der konservative Blogger merkt an, dass der Vatikan die Nachricht vom Besuch Papst Franziskus’ in Budapest nicht einmal offiziell bestätigt habe. Was die politischen Interpretationen angeht, stimmt Veczán zu, dass Franziskus tatsächlich als „linker Papst“ oder gar als „Pro-Migrations-Papst“ bezeichnet werden könne. Zwar mahne Papst Franziskus oft die Anerkennung aller Arten von „Anderssein“ an, doch ignoriere er die Probleme der jenseits der Landesgrenzen lebenden Magyaren. Veczán sieht in der gesteigerten Aufmerksamkeit und den ideologischen Auseinandersetzungen um den Papstbesuch ein Zeichen dafür, dass die Opposition nach neuem ideologischen Futter suche, während die dritte Welle der Coronavirus-Pandemie abebbe.