Die Wochenpresse aus dem gesamten politischen Spektrum hat sich in den vergangenen Tagen intensiv mit der Bedeutung von Außenseitern bei den Parlamentswahlen im kommenden April auseinandergesetzt. Dabei wettert ein konservativer Ex-Minister gegen den Spitzenkandidaten der Opposition, weil dieser die ungeliebte Konkurrenz von einer Kandidatur abhalten wolle, während Kommentatoren aus dem oppositionellen Lager eher der Meinung sind, dass sie den aktuell Regierenden in die Hände spielen würde. Presseschau von budapost.de.
Tibor Navracsics hält es für unangemessen, dass der Oppositionskandidat für das Amt des Regierungschefs alle verurteile, die sich unabhängig von der Regierung oder der Opposition um den Einzug ins Parlament bewerben. Mit einer Prise Schadenfreude beschreibt der ehemaliger Minister und spätere EU-Kommissar auf Mandiner den gescheiterten Versuch von Péter Márki-Zay, im Falle einer Beteiligung auf der Wahlliste der Opposition einschließlich Mandatsgarantie die „Partei des doppelschwänzigen Hundes“ von einer eigenen Kandidatur abzuhalten. Nach deren Weigerung habe er der Satire-Partei vorgeworfen, mit ihrem Verhalten die amtierende Regierung zu stützen.
Auch habe Márki-Zay die Absicht des Pornovideoproduzenten György Gattyán, mit einer neuen Partei an den Start zu gehen, als einen Schritt kritisiert, der offensichtlich der Regierung in die Hände spiele und die Wähler der Opposition spalte. Navracsics hält es für undemokratisch, wenn Politiker versuchen würden, die Zahl der Kandidaten bei Parlamentswahlen zu begrenzen.
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Dagegen pflichten Ágnes Gyenis und Péter Hamvay von HVG Márki-Zay bei. Sie äußern die Vermutung, dass Gattyán junge Wähler anziehen werde, die kaum für den Fidesz stimmen würden. Dessen Programm für ein digitalisiertes Ungarn könnte in der Tat für eine junge Wählerschaft überzeugend klingen. Die Autoren verweisen in ihrem Artikel demgegenüber auf den linken Meinungsforscher Tibor Závecz. Dieser rechne damit, dass der Porno-Unternehmer lediglich einen Bruchteil von einem Prozent aller abzugebenden Stimmen erhalten werde. Gattyán versuche seit 20 Jahren, sein Image als Pornovideoproduzent loszuwerden – aber genau das habe ihn zu einem der reichsten Menschen des Landes gemacht, notieren Gyenis und Hamvay.
In Magyar Hang bezeichnet Róbert Puzsér Gattyán als „Porno-Kaiser sowie den reichsten und einflussreichsten Zuhälter Ungarns“. Dennoch kann er an dessen geplanter Kandidatur nichts besonders Merkwürdiges finden. In der Tschechischen Republik und in der Slowakei hätten sich reiche Unternehmer erfolgreich um das Amt des Ministerpräsidenten beworben. Dabei hätten sie vor ihrem Eintritt in die Politik ihre eigenen Medien etabliert.
Für Puzsér handelt es sich bei Gattyán nicht um eine Fidesz-Marionette. Vermutlich betrachte er sich selbst als potenziellen Herausforderer von Ministerpräsident Orbán. Seine Absicht, in die Politik einzusteigen, könnte durch seine Midlife-Crisis, seine Erfahrungen sowie durch den verständlichen Wunsch motiviert sein, als etwas anderes zu gelten als ein Porno-Tycoon. Ein weiteres mögliches Motiv könnte sein, dass er die Position von Ministerpräsident Orbán geschwächt sehe und glaube, dass in der ungarischen Innenpolitik ein Platz für ihn existiere.
Aber vermutlich sei György Gattyán entweder ein Bauer des Fidesz im politischen Schachspiel, oder nur ein exhibitionistischer Milliardär, oder wiederum ein 250.000 Milliarden starkes Armeekorps der Opposition bei „Orbáns Waterloo“, so Puzsér.
In 168 Óra versucht Richárd Szentpéteri – ohne Gattyán ausdrücklich zu erwähnen – die Rolle von Geldmagnaten in der Politik zu analysieren. In Demokratien hätten alle Menschen nur eine Stimme, aber „die Reichen haben eine kräftigere Stimme als die Armen“. Für reiche Leute seien Bestrebungen nach politischem Einfluss ganz natürlich. Szentpéteri Nagy glaubt, dass es in Ungarn mehr als hundert solcher Unternehmer gebe. Sie hätten sicherlich etwas erreicht, verfügten über gute soziale Fähigkeiten, hätten Erfahrungen im Führen gesammelt und seien mindestens so gebildet wie der durchschnittliche Politiker.
Trotzdem warnt Szentpéteri sie: Die Welt der Politik unterscheide sich grundlegend von der der Wirtschaft. Politische Führung brauche für den Erfolg viel mehr Geduld und Kompromissbereitschaft. Erfolgreiche Geschäftsleute, so schließt Szentpéteri Nagy, könnten große und unangenehme Überraschungen erleben, wenn sie sich in die Politik hineinwagen würden. Schließlich warnt der Autor auch davor, dass eine neue sich zwischen Regierung und Opposition schiebende Kraft höchstwahrscheinlich den Interessen der Ersteren diene.