Nach Einschätzung eines linksorientierten Juristen handelt es sich bei der Wahl einer noch nie als Richter fungierenden Person an die Spitze der Justizhierarchie um einen in der Geschichte des demokratischen Ungarn beispiellosen Vorgang. Ein Rechtsphilosoph wiederum vermerkt, dass diejenigen, die Mitglieder des Verfassungsgerichts nicht als Richter betrachteten, in Wirklichkeit die Legitimität dieses Organs an sich anzweifeln würden. Presseschau von budapost.de.
Das Parlament hat am Montag Dr. Zsolt András Varga zum neuen Präsidenten der Kúria, des obersten ungarischen Gerichtshofes, gewählt. Die meisten Oppositionsabgeordneten boykottierten die Abstimmung aus Protest. Zsolt András Varga war zehn Jahre lang stellvertretender Chefankläger, bevor er 2014 in das Verfassungsgericht gewählt wurde. Die Mitglieder des Obersten Gerichts müssen mindestens fünf Jahre lang als Richter tätig gewesen sein, aber eine Novellierung des Gesetzes über die Kúria hatte im vergangenen Jahr festgelegt, dass auch die Mitgliedschaft in internationalen Gerichten oder im Verfassungsgericht selbst diese Anforderung erfülle.
Bei der Wahl vom Montag handele es sich um den ersten Fall seit dem Einzug der Demokratie in Ungarn, dass jemand ohne Erfahrung als Richter Präsident des Obersten Gerichtshofs werde. Darauf hat der Jurist Péter Bárándy verwiesen. In einem Interview mit Klubrádió äußerte der Justizminister der Jahre 2002 bis 2004 im Kabinett des sozialistischen Ministerpräsidenten Péter Medgyessy die Befürchtung, dass die Ernennung Vargas das Risiko einer politischen Voreingenommenheit im Bereich der ungarischen Justiz erhöht habe. Die Richter müssten einem Ethos verpflichtet sein, wollten sie unabhängig urteilen, argumentierte Bárándy und äußerte diesbezüglich Zweifel an Dr. Varga.
Auf Azonnali geht Péter Techet nicht auf die Person des neuen obersten Richters ein, hält aber die Behauptung seiner Gegner, wonach es sich bei einem Mitglied des Verfassungsgerichts nicht um einen Richter handeln würde, für fragwürdig. Das sei die Position, die seit jeher von denjenigen verteidigt werde, die die Legitimität der Verfassungsgerichte im Allgemeinen bestritten – allen voran der Deutsche Karl Schmidt, der berühmte rechtsradikale Rechtsphilosoph, notiert Techet.
(Via: budapost.de, Beitragsbild: MTI – Noémi Bruzák)