„Der Vertrag von Trianon zerstückelte Ungarn und schuf fatale Spannungen in der Region. Seit einigen Jahren versucht Budapest ein neues Rezept in Mitteleuropa“ – schreibt der Ungarn-Expert Boris Kálnoky im aktuellen BZ Magazin.
„1920 wurde Ungarn von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges bestraft wie kein anderes Land – obwohl es den Krieg gar nicht gewollt hatte.“ – beginnt seinen Meinungsartikel der Ungarn-Expert in der Wochenzeitschrift „Budapester Zeitung.“ Boris Kálnoky schrieb aber keine Zusammenfassung geschichtlicher Ereignisse, sondern macht viel mehr einen Überblick über Ungarns Minderheitenpolitik seit der politischen Wende, und fokussiert dabei vor allem auf Viktor Orbáns Politik.
Selbst nach dem Zusammenbruch des Kommunismus das Gift der Pariser Vorortverträge in Südosteuropa immer noch fortwirkte.
Kálnoky betont, dass Ungarn und die Nachbarstaaten, nach 1920, weiterhin unter spannungsgeladenen Beziehungen litten. Und die Auswirkungen sind auch heute noch spürbar.
Er erinnert an die kürzesten Aussagen des rumänischen Präsidenten Klaus Johannis, der Ende April die oppositionellen Sozialdemokraten beschuldigte, „sie wollten Siebenbürgen an Ungarn „verkaufen“.
„So tief und so lang wirkt das Gift von Trianon“ – so der Journalist.
Kálnoky macht auch darauf aufmerksam, dass die erste konservative Regierungspartei MDF und später die jetzige Regierungspartei Fidesz unter Ministerpräsident Orbán die Rhetorik der „geeinten Nation über die Grenzen hinaus” als wichtiges Element konservativer ungarischer Identität pflegten. Dies bedeutete aber nie eine Bestrebung, die Grenzen ändern zu wollen – so der Journalist.
„Seit etwa 2014 jedoch polte Orbán seine Politik gegenüber den Nachbarländern völlig um. Seine neue Priorität war es, innerhalb der EU eine enge Kooperation ostmitteleuropäischer Länder aufzubauen, um gemeinsame Interessen in Brüssel besser durchsetzen zu können. Der Preis dafür war, so argumentierte er intern, dass alle aufhören müssten, die Minderheitenkarte innenpolitisch auszuspielen, da das immer zu Spannungen untereinander führte. Besser sei es, gemeinsam Geld zu machen.“
Laut Kálnoky ist diese neue Politik ein „spektakulärer Erfolg“. Als Beispiele nennt er, dass der slowakische Ministerpräsident kürzlich die Ungarn in der Slowakei um Vergebung für erlittene Diskriminierung bat, und dass Ungarn gute Beziehungen zu Serbien hat, sowie dass die Ukraine kürzlich eine Geste gegenüber den ungarischen Minderheiten gemacht hat. Der Ungarn-Expert betont aber zugleich, dass es nur mit Rumänien nicht gelingen scheint, gute Beziehungen aufbauen zu können, obwohl das Leitmotiv von Premier Orbáns Gedenkrede am 4. Juni „Der Aufbau eines neuen Mitteleuropas“ war.
(Via: Budapester Zeitung, der vollständige Artikel erschien im aktuellen BZ Magazin, aus der Feder des Ungarn-Experten Boris Kálnoky, Beitragsbild: Premier Viktor Orbán bei der Trianon- Gedenksitzung am 4. Juni im Parlament, MTI – Tibor Illyés)